Vergeltungsanschläge in Berlin befürchtet. USA wollen Bin Ladens Witwen verhören. Neue Debatte über Folter und Waterboarding.

Washington. Eine Woche nach der Tötung Osama Bin Ladens hält Innensenator Ehrhart Körting (SPD) amerikanische Einrichtungen in Berlin für besonders gefährdet. „Der Schwerpunkt möglicher Anschläge liegt sicherlich bei den Amerikanern“, sagte Körting. Auch die britische Botschaft oder das jüdische Museum und die Synagoge könnten Ziele von terroristischen Vergeltungsschlägen nach dem Tod des Al-Qaida-Chefs sein. Insgesamt sei die Gefahrenlage in der Hauptstadt weiterhin verschärft. „Wir gehen davon aus, dass wir eine hohe abstrakte Gefahr haben“, sagte Körting. Anschläge seien möglich, momentan gebe es aber keine konkreten Hinweise. Auch in Hamburg gibt es im US-Generalkonsulat an der Alster ein potenzielles Terrorziel. Die Behörden sehen die Gefährdungslage derzeit nicht größer als vor Bin Ladens Tod. Von besonderen Maßnahmen ist nichts bekannt.

Mit dem Tod Bin Ladens ist in den USA der Streit darüber neu entbrannt, ob die teils inzwischen als Folter eingestuften Methoden beim Verhör von Terrorverdächtigen rechtmäßig und ob sie überhaupt erfolgreich waren. Befürworter und Gegner fühlen sich bestätigt. Doch tatsächlich kann keines der beiden Lager den Sieg beanspruchen. Der bislang größte Erfolg der USA in der Terrorismusbekämpfung macht vielmehr etwas klarer, wo die Methoden der CIA Ergebnisse zeitigten und wo die Ergebnisse übertrieben wurden. Die Jagd auf Bin Laden gründete im Wesentlichen auf der Suche nach seinen Kurieren, über die er Verbindung zu seinen Leuten hielt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sprachen Insassen der CIA-Geheimgefängnisse im Verhör von einem wichtigen Kurier namens Abu Ahmed al-Kuwaiti, einem Schützling des Al-Qaida-Führungsmitglieds Chalid Scheich Mohammed.

Scheich Mohammed wurde 2003 von der CIA gefasst und deren „verschärften Verhörmethoden“ wie Schlafentzug und Schein-Ertränken unterzogen. Monate nach dem sogenannten Waterboarding – das später unter der Regierung Barack Obama als Folter gebrandmarkt wurde – räumte er ehemaligen Geheimdienstlern zufolge ein, al-Kuwaiti zu kennen. „Also, für diejenigen, die sagen, Waterboarding funktioniert nicht, es sollte gestoppt und nie wieder angewendet werden: Wir gewannen entscheidende Informationen, die uns direkt zu bin Laden führten“, sagte der republikanische Vorsitzende des Heimatschutz-Ausschusses im Abgeordnetenhaus, Peter King. Doch unmittelbar an dem Verhörprogramm beteiligte aktive und ehemalige Beamte erklären, das sei nicht der Fall.

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Mohammed gab nach dem Waterboarding zwar zu, al-Kuwaiti zu kennen, bestritt aber, dass er zu al-Qaida gehöre oder überhaupt von Bedeutung sei. Das war eine Lüge, so wie Mohammeds erfundene Geschichten über bin Ladens Aufenthaltsort. 2004 bestätigte der Al-Qaida-Mann Hassan Ghul in einem geheimen CIA-Gefängnis, dass al-Kuwaiti ein wichtiger Kurier sei und Mohammeds Nachfolger als Einsatzchef, Faradsch al-Libi, nahe stehe.

Bei al-Libi hatte die CIA weniger Glück. Der bekam den Gewährsleuten zufolge nach seiner Gefangennahme zwar kein Waterboarding, aber sonst die ganze Skala verschärften Verhörs wie intensiven Schlafentzug zu spüren. Trotzdem bestritt er hartnäckig, al-Kuwaiti zu kennen, und nannte einen falschen Namen für einen Kurier. Aufgrund der Aussagen anderer Gefangener vermuteten die Agenten, dass die beiden logen. Durch andere Informanten und ein abgehörtes Telefonat kamen sie Jahre später auf die Spur al-Kuwaitis, der sie unwissentlich zu Bin Laden führte.

„Sie haben diese verschärften Verhörmethoden bei einigen Gefangenen angewendet“, sagte CIA-Direktor Leon Panetta vorige Woche. „Aber diese Debatte darüber, ob wir die selbe Information auch auf anderem Wege erhalten hätten – ich glaube, das wird immer eine offene Frage bleiben.“ An der Entdeckung Bin Ladens beteiligte CIA-Beamte äußern sich frustriert darüber, dass das gesamte Verhörprogramm und die Tötung des Al-Qaida-Chefs auf eine Diskussion über das Waterboarding reduziert sei.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle fordert Pakistan derweil zur Suche nach möglichen Unterstützern Osama Bin Ladens in der Regierung des Landes auf. Es müsse aufgeklärt werden, wie ein Terroristenführer so lange unbehelligt in der Nähe von Islamabad leben konnte, sagte der FDP-Politiker. „Hier hat die pakistanische Regierung einen unbedingten Aufklärungsauftrag. Und wir haben als Verbündete einen unbedingten Aufklärungsbedarf.“ Es müsse sichergestellt sein, dass es innerhalb der pakistanischen Regierung keine Unterstützer solcher Terrorgruppen gebe. Pakistan sei als Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus in der Pflicht, alle Zweifel auszuräumen. Deutschland erwarte Aufklärung und werde auch auf Aufklärung dringen.

Die USA haben Zugang zu den drei in Pakistan festgehaltenen Witwen des getöteten Al-Qaida-Chefs Bin Laden gefordert. Außerdem wollen sie Einblick in sämtliches Material, dass das US-Kommando vor einer Woche im Versteck bin Ladens zurückließ, sagte ein ranghoher US-Vertreter. Von den Witwen erhoffen sich die USA Informationen darüber, ob Pakistan Bin Laden Unterschlupf geboten hat, so wie es nicht wenige in der US-Regierung vermuten. Des Weiteren könnten die Frauen Einblicke in den Alltag des Terroristen-Führers liefern sowie Hinweise auf seine Tätigkeit nach der Invasion in Afghanistan 2001 und die inneren Strukturen der al-Qaida.

US-Präsident Barack sagte zu seinen Erlebnissen der Kommandoaktion vor einer Woche: „Das waren die längsten 40 Minuten meines Lebens.“ Der US-Präsident bekannte in einem Interview des Fernsehsenders CBS, dass ihn die Aktion gegen Osama Bin Laden persönlich sehr mitgenommen hat. Nur als seine kleine Tochter Sasha im Alter von drei Monaten Meningitis hatte, sei er ähnlich angespannt gewesen. Obama sagte aber auch, nach den tödlichen Schüssen der Navy Seals wolle er endlich wissen, wer vom Aufenthalt des Terrorchefs in Pakistan wusste. Das Video der Traditionssendung „60 Minutes“ finden Sie hier .

Die pakistanische Regierung in Islamabad solle bei der Aufklärung helfen. Obama sagte, er habe die Operation angeordnet, weil er der Ansicht gewesen sei, dass die Chance, Bin Laden „endlich zu kriegen“, größer sei als die Risiken. Er sei zwar wegen des Ausgangs der Aktion nervös gewesen. Wegen der Möglichkeit, dass Bin Laden dabei getötet werden könnte, habe er sich aber keine Gedanken gemacht. Jeder, der daran zweifle, dass der Al-Qaida-Führer sein Schicksal verdient habe, „muss seinen Kopf untersuchen lassen“, sagte Obama.

Mit Material von dpa, dapd, AFP, rtr