Berater verriet: Die Aktion wurde vom Weißen Haus überwacht. Osama bin Laden nahm eine Frau als Schutzschild, ehe er erschossen wurde.

Washington/Hamburg. Er ist der oberste Anti-Terror-Berater von Präsident Barack Obama. Und John Brennan nahm kein Blatt vor den Mund: Die ganze Kommandoaktion der Eliteeinheit Seals in Pakistan, bei der der Top-Terrorist Osama bin Laden getötet wurde, sei von Washington aus überwacht worden. „Monitoring“ nennt man das in der Sprache des modernen Krieges. Mit den Bildern, die das Weiße Haus dazu veröffentlicht hat, wird klar: Obama, Außenministerin Hillary Clinton, Top-Militärs und die wichtigsten Sicherheitsberater Obamas haben live zugesehen, wie in Tausenden Kilometer Entfernung bin Ladens Haus gestürmt und der Pate des Terrors erschossen wurde. „Wenn wir die Gelegenheit gehabt hätten, ihn lebend zu fassen, hätten wir das getan“, sagte Obamas Anti-Terror-Berater Brennan.

Über Helmkameras der Soldaten, eine Satellitenverbindung und weitere geheim gehaltene Kommunikationswege waren Obama und sein engster Zirkel offenbar genau im Bilde, was sich in Pakistan abspielte. So saß der Friedensnobelpreisträger beinahe gemütlich im Situation Room des Weißen Hauses und verfolgte das Geschehen wie einen realen Krimi. Danach rief er seinen Vorgänger George W. Bush an, der bin Laden nach 9/1 mit Vergeltung gedroht hatte, und sagte ihm: Mission erfüllt.

„Dem Präsidenten war es sehr wichtig, dass unser Personal geschützt wird“, sagte Brennan. Die USA wollen nun auch klären, wie sich bin Laden auf einem so großen Anwesen versteckt halten konnte und ob pakistanische Stellen davon wussten. Man wolle herausfinden, wie sich der Terroristenchef „derart lange“ habe verborgen halten können, sagte der Spitzenberater. „Wir gehen jedem Hinweis nach.“ An der Aktion seien keine pakistanischen Sicherheitskräfte beteiligt gewesen.

Brennan deutete an, dass Fotos des getöteten Terroristenchefs veröffentlicht werden sollen. Die USA wollten sicherstellen, dass „niemand irgendeinen Grund hat zu leugnen, dass wir Osama bin Laden erwischt haben“. Allerdings brauche die Freigabe der Aufnahmen Zeit. Nach den Worten Brennans hatte eine der Ehefrauen bin Ladens dem Terroristenchef als Schutzschild gedient. „Ihrer Position nach zu schließen wurde sie als Schild benutzt“, sagte der Berater. Die Frau war ebenfalls getötet worden. Zu der Bestattung Bin Ladens auf See sagte Brennan, nach islamischer Tradition müssten Tote binnen 24 Stunden beigesetzt werden. In ein anderes Land zu gehen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen, „hätten diese Frist verletzt“, so der Berater. „Durch diesen Schritt wurde am besten sichergestellt, dass sein Leichnam auf die angemessene Weise islamisch bestattet wurde.“

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Die Leiche bin Ladens wurde an Bord des Flugzeugträgers „USS Carl Vinson“ gebracht und später im Norden des Arabischen Meeres bestattet. Zuvor sei die Leiche in einen „beschwerten Sack“ getan worden, ein Offizier habe einige religiöse Ausführungen gemacht, bevor der Körper auf ein flaches Brett gelegt und dieses dann in Richtung des Wassers gekippt worden sei, berichteten Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Montag. Für die US-Marine habe es sich dabei um Routine gehandelt, schließlich würde sie durchschnittlich 20 Seebestattungen monatlich durchführen. Dabei handele es sich für gewöhnlich um verstorbene Veteranen, Ruheständler und andere US-Bürger, sagte ein Sprecher der Marine.

Der Tod bin Ladens fügte nach Ansicht Brennans dem Terrornetz al-Qaida schweren Schaden zu, vernichtete es aber nicht. Durch die Kommandoaktion sei „der Schlange der Kopf abgeschlagen worden“, sagte er. Al-Qaida sei nun ein „tödlich verwundeter Tiger, in dem aber noch Leben steckt“.

Bin Laden war bei dem Kommandoeinsatz nach Angaben eines US-Vertreters in Begleitung von 23 Kindern und 9 Frauen. Sie hätten sich in jener Residenz aufgehalten, die bin Laden sechs Jahre als Versteck gedient habe, sagte der mit der Operation vertraute Offizielle der Nachrichtenagentur AP. Demzufolge seien die Frauen sowie die Kinder den pakistanischen Behörden übergeben worden. Bin Laden ist nach Angaben eines US-Vertreters bei dem Zugriff von US-Spezialkräften von einem Schuss oberhalb des linken Auges getroffen worden, wodurch ihm ein Teil des Schädels weggeschossen worden sei. Abgegeben habe den Präzisionsschuss ein Mitglied des Team 6 der Marine-Eliteinheit Seal .

Der in Kuwait geborene Kurier von Osama bin Laden hat die US-Streitkräfte nach Auskunft dreier US-Vertreter auf die Spur des meistgesuchten Terroristen gebracht. Dem Mann namens Scheich Abu Ahmed habe bin Laden am meisten vertraut, hieß es. Für die US-Geheimdienste sei Ahmed eine undurchsichtige Figur gewesen, und es habe Jahre gedauert, ihn zu identifizieren, sagten die US-Vertreter. Lange Zeit hätten die Geheimdienste den Mann nur unter seinem Kampfnamen Abu Ahmed al-Kuwaiti gekannt. Erste Hinweise auf seine Bedeutung hatten bereits CIA-Gefangene nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gegeben. Ahmed und sein Bruder starben ebenso wie bin Laden beim Kommandoeinsatz einer US-Spezialeinheit in der Nacht auf Montag in Pakistan.

US-Präsident Barack Obama will am Donnerstag Ground Zero in New York besuchen – vier Tage nach der Tötung von bin Laden. Dort, wo am 11. September 2001 Terroristen zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center steuerten, will sich der Präsident mit Angehörigen der Opfer treffen, berichteten US-Medien unter Berufung auf einen Sprecher des Weißen Hauses. Die Vereinigten Staaten befürchten derweil Vergeltungsaktionen. Ihre diplomatischen Vertretungen wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die US-Regierung appellierte dringend an ihre Bürger in besonders brisanten Regionen, Massenansammlungen zu meiden. Die Kontrollen an den New Yorker Flughäfen wurden erheblich verstärkt, an Bahnhöfen und größeren U-Bahn-Stationen zeigten Polizisten mit Sturmgewehr, Helm und Schutzweste Präsenz.

Die USA haben ihre Botschaft und drei Konsulate in Pakistan geschlossen. Die Botschaft in der Hauptstadt Islamabad sowie die Konsulate in Peschawar, Lahore und Karatschi seien bis auf weiteres für den generellen Geschäftsbetrieb geschlossen worden, blieben aber für „andere Angelegenheiten“ und für US-Bürger betreffende Notfälle geöffnet, teilte die US-Botschaft mit. Die größte Talibangruppe in Pakistan hatte erklärt, bin Ladens Tod rächen und „die Regierungen der USA und Pakistans und ihre Sicherheitskräfte“ angreifen zu wollen. Pakistan verstärkte bereits die Sicherheitsvorkehrungen in großen Städten, bei diplomatischen Einrichtungen und am Ort der Tötung bin Ladens in Abbottabad. In der südwestpakistanischen Stadt Quetta nahe der Grenze zu Afghanistan gingen am Montag Hunderte Menschen auf die Straße, um die USA zu verurteilen, eine US-Flagge zu verbrennen und den Al-Qaida-Chef zu würdigen.

Mit Material von dapd, dpa, AFP, rtr