Die beschlagnahmten Videos von Al-Qaida-Chef Bin Laden kursieren im Internet. Sie zeigen eine völlig neue Seite des Terroristen.

Washington. Osama Bin Laden schien bis zu seinem Tod wesentlich mehr EInfluss gehabt zu haben, als bisher vermutet. Tatsächlich, so scheinen die Auswertungen der gefundenen Unterlagen zu belegen, habe er trotz seiner vermeintlichen Isolation noch immer die Fäden des Terrornetzwerkes Al-Qaida gezogen. Einen Beleg dafür sind die nun von der US-Regierung beschlagnahmten und zum Teil veröffentlichten Videoclips des getöteten Terrorchefs. Das Pentagon präsentierte die Filme knapp eine Woche nach dem Angriff gegen Bin Laden im pakistanischen Abbottabad. Nach Meinung von Experten beweisen die Filme, dass Bin Laden auch in letzter Zeit Anschläge der Terrororganisation und verbündeter Gruppen im Jemen und in Somalia geplant und dirigiert hat. Die Daten zeigten, „dass das Gelände in Abbottabad ein aktives Kommando- und Kontrollzentrum für den Al-Kaida-Chef war“, sagte ein Geheimdienstmitarbeiter.

Am Sonnabendmittag (Ortszeit) hat das Pentagon eine Reihe ausgewählter, amerikanischer Journalisten zu einem Briefing eingeladen. Dort wurden tonlose Kopien der Filme ausgegeben, die seitdem bei YouTube kursieren . Der Wortlaut der Botschaften soll allerdings geheim bleiben. Das ausgegebene Material ist nur ein Ausschnitt aus über Hundert Audio- und Videodokumenten, die amerikanische Spezialkräfte vor einer Woche beim Sturm auf Bin Ladens Anwesen in Abbottabad sicherstellen konnten.

Ein Telefonanruf brachte die Ermittler auf die richtige Spur

Unterdessen wurde bekannt, dass es ein privates Telefonat war, welches die Ermittler auf die richtige Fährte Bin Ladens führte. Ein Handy-Gespräch von Bin Ladens Kurier mit einem alten Freund erregte demnach wohl die Aufmerksamkeit des US-Geheimdienstes. Der Freund habe den Kurier, Abu Ahmed al-Kuwaiti, gefragt, wo er denn so lange gesteckt habe. Daraufhin habe der geantwortet: „Ich bin wieder bei den Leuten, bei denen ich früher war.“

Den Agenten sei daraufhin sehr schnell deutlich geworden, dass sie auf einer heißen Spur wären. Und das obwohl Bin Laden sich alle Mühe gab, seinen Aufenthaltsort verdekct zu halten. Auf dem Gelände in Abbottabad, gab es weder eine Telefon-, noch Internet-, noch Fernsehleitung. Mitarbeiter des Al-Qaida-Chefs haben ihre Akkus erst wieder in die Handys eingesetzt als sie sich 90 Minuten weit weg befanden, damit sie nicht geortet werden können.

Veröffentlichte Aufnahmen zeigen Bin Laden von einer ganz anderen Seite

Die fünf Videoclips, die unterdessen in der ganzen Welt kursieren. zeigen den in die Jahre gekommenen Terrorchef mit ergrautem Haar und Bart. Er sitzt gebeugt mit einer Decke über den Schultern und einer Strickkappe auf dem Kopf vor dem Fernseher und betrachtet Filme seiner eigenen Auftritte. Dabei wippt er gelegentlich nickend vor- und zurück. Seinen linken Arm setzt er nicht ein. Nach Meinung der Ermittler könnte dies darauf hindeuten, dass eine Schussverletzung bleibende Behinderungen hinterlassen hat. Bin Laden sitzt in einem kargen Raum mir kahlen Wänden. Sein altmodischer TV-Apparat ist mit einem Decoder verbunden. Unklar ist, ob der Raum zu seinem Anwesen in Abbottabat gehört, wo ihn US-Spezialkräfte in der Nacht zum Montag (MESZ) überwältigten und töteten.Was er in den Botschaften sagt, wollte die US-Regierung aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlichen. Die Videos gäben keinen Aufschluss über den Verbleib von Bin Ladens Stellvertreter und möglichem Nachfolger Eiman al-Sawahiri, hieß es.

Wesentlich Medienwirksamer präsentiert sich Bin Laden in einer bislang unveröffentlichten Videobotschaft an die USA, in welcher er sich wohl lange über die verderblichen Wirkungen des Kapitalismus auseinandersetzt. Für diese Aufnahmen hat er sich sowohl die Haare, wie auch seinen Bart schwarz gefärbt. Die Nachricht soll im Herbst letzten Jahres aufgenommen worden sein. Anderer Filme zeigen hingegen, wie der Al-Qaida-Chef die Aufnahemen seiner berüchtigten Videobotschaften probt und dabei aus dem Konzept gerät.

(abendblatt.de/dpa)