Sehr geehrte Damen und Herren,

jetzt wurde ein neuer Finanzsenator gewählt, und der verzichtet - wie Sie interessanterweise berichten - selbstlos auf das ihm zustehende Gehalt für März in Höhe von 13 562,47 Euro. Da versteht jemand, im Sinne der Solidargemeinschaft zu sparen. Danke schön, Herr Senator. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut ... Aber im Ernst: Kann jemand diese Regelung begreifen? Über 13 000 Euro für einen Tag Arbeit - toll. Leiharbeiter und andere Unterprivilegierte: Fangt doch eure Arbeitsverhältnisse künftig erst am Monatsende an.

Und auf Seite 2 berichtet das Abendblatt in der gleichen Ausgabe über Kündigungen wegen Maultaschendiebstahls und anderer Petitessen. Die geistig-moralische Wende meldet Vollzug. Wenn auch ganz anders, als ich mal dachte.

Heiner Hollatz, per E-Mail

Sehr geehrter Herr Hollatz,

es müssen nicht immer die großen Schlagzeilen sein: Manchmal verbergen sich auch in ganz kleinen Zusatztexten Dinge, die unser Gemüt erregen. Der kleine Zweispalter, der Ihnen den Anstoß zu Ihrem Leserbrief gegeben hat, beschreibt ein in der Tat unglaubliches Gesetz. Im Hamburger Senatsgesetz vom 18. Februar 1971 heißt es: "Die Mitglieder des Senats erhalten vom Beginn des Kalendermonats, in dem ihr Amtsverhältnis beginnt, bis zum Ende des Kalendermonats, in dem ihr Amtsverhältnis endet ... Amtsbezüge." Was den damaligen SPD-Senat unter Bürgermeister Herbert Weichmann zu dieser Formulierung bewogen hat, kann bei der heutigen Haushaltslage der Stadt wohl niemand mehr nachvollziehen. Warum es dieses Gesetz bis zum heutigen Tag ohne einen zusätzlichen Hinweis darauf gibt, dass die Bezüge, wenn die Senatoren nicht am Monatsanfang antreten, wie in der Wirtschaft auch nur anteilig ausgezahlt werden, müssen sich hingegen Bürgermeister Ole von Beust und seine Senatoren fragen lassen. Bereits von mehr als neun Jahren wunderte sich der CDU-Bürgermeister und sein frisch formierter Senat über die "sonderbare" Regelung und verzichteten auf die Zahlung. Geändert wurde in all den Jahren im Senatsgesetz dennoch jeweils nur die Höhe der Amtsbezüge.

Ich verstehe Ihre E-Mail nicht nur als Meinungsäußerung, sondern auch als Anregung an die Redaktion: Wir werden in den kommenden Tagen der Frage nachgehen, warum es ein solches Gesetz noch gibt - und welche sonderbaren Gehaltsregelungen im Rathaus vielleicht noch existieren.

Denn wie Sie richtig anmerken: In Zeiten von Kündigungen wegen massiven Sparzwangs, Maultaschen-Diebstahls und anderer Bagatelldelikte lassen sich potenzielle 13 562,47 Euro für ein paar Stunden Arbeit nun wahrlich niemandem erklären.

Herzlichst, Berndt Röttger