Liebe Abendblatt-Redaktion!

Sehr berührt hat mich der Bericht über einen Hamburger Kinderzug 1946 in die Schweiz. Allein die Aussage der Schweizer Gastfamilie "Wenn es für acht Kinder reicht, dann reicht es auch für ein neuntes" ließ mich über heutige Werte ins Grübeln kommen. Schön, dass Herr Schröder noch heute Kontakt zu seiner Schweizer Familie pflegt.

Welche Werte heute vermittelt werden, konnte ich dann allerdings in derselben Ausgabe des Abendblatts auf der Seite "Aus aller Welt" auch mit Entsetzen lesen. Schönheitswahn jetzt schon für Fünfjährige? Und Sie fragen zu Recht: Kinder, Kinder - wo soll das enden?

Mich beschleicht aber oft genug auch das Gefühl, dass es genau diese Verrücktheiten sind, die uns in den Medien, mit Vorliebe besonders aus Amerika, aber auch aus aller Welt präsentiert werden.

Normal ist eben nicht mehr in - und das nehme ich nicht hin!

Mit herzlichen Grüßen

Hannelore Moldenhauer

Liebe Frau Moldenhauer,

danke für Ihren Brief. Oftmals sind es Leserbriefe wie Ihrer, der Augen öffnen und die Wahrnehmung eines Artikels noch einmal verstärken kann. Tatsächlich bekommt man manchmal den Eindruck, dass Kinder - je seltener sie werden - einen immer größeren Stellenwert als Lebensinhalt oder gar Statussymbol der Eltern bekommen. In dem Maße, wie die Geburtenrate fällt, steigen etwa der Verkauf von Bestsellerbänden zur Erziehung oder die Quoten von Supernanny-Sendungen. Andere reduzieren Nachwuchs auf die Kosten, die Kinder verursachen.

Ich fürchte, dass Kinder in unserer Gesellschaft nichts Selbstverständliches mehr sind. Das wird sich erst wieder verändern, wenn wir uns verändern. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Entwicklungen darzustellen, auf Fehlentwicklungen und auch "Verrücktheiten" hinzuweisen - und nötige Debatten über die Kinderfreundlichkeit und Kinderleben in diesem Land zu führen. Ihr Brief ermuntert uns.

Herzliche Grüße

Matthias Iken