Dass wir “häufig“ unserem Anspruch nicht mehr gerecht würden, unabhängig und überparteilich zu sein, halte ich für ein Fehlurteil.

Speziell auf der Titelseite und dort in den so wichtigen Überschriften wird das Hamburger Abendblatt seinem eigenen Anspruch, "unabhängig und überparteilich" zu sein, häufig nicht mehr gerecht. Diese noch von dem Gründer und Verleger Axel Springer formulierte Maxime verlangt von der Chefredaktion und ihren Redakteuren auch in den Überschriften eine faire, ehrliche und professionelle Informationsübermittlung.

Selbstverständlich sind sogenannte Eyecatcher, d. h. auflagensteigernde Überschriften, erlaubt, sie sollten jedoch nicht in eklatantem Widerspruch zur Realität bzw. zum Inhalt des eigentlichen Artikels stehen. Leider ist dies in letzter Zeit häufig der Fall. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise wurde und wird vom Hamburger Abendblatt fast systematisch schöngeredet bzw. heruntergespielt. Es geht hier nicht um Parteipolitik, es geht um Fairness und guten Journalismus.

Das Hamburger Abendblatt hat es nicht nötig, durch Überschriften Tendenzen zu schaffen, die mit den von ihm selbst gewählten Prinzipien der Unabhängigkeit und Überparteilichkeit unvereinbar sind. Im Übrigen entwerten solche Tendenzüberschriften die vielen Artikel, die inhaltlich ein hohes Niveau haben und sprachlich gut formuliert sind.

Das Abendblatt hat in unserer Millionenstadt auf seinem Sektor im Printbereich eine Monopolstellung und damit auch eine besondere Verantwortung. Wenn das Hamburger Abendblatt "unabhängig und überparteilich" bleibt bzw. wieder werden soll, kann es wieder dem Traum von Axel Springer gerecht werden, eine Zeitung für alle Hamburger - gleich welcher Herkunft und welchen Alters - zu sein. Peter Krämer, Hamburg

Sehr geehrter Herr Krämer,

herzlichen Dank für Ihre Zeilen. Sie loben unsere gehaltvollen Artikel, das erfüllt uns mit Freude. Sie mahnen uns, das spornt uns an. Denn nur, wenn wir Tag für Tag kritisch unsere eigene Arbeit reflektieren und auf den Prüfstand stellen, können wir noch besser werden. Dass wir "häufig" unserem Anspruch nicht mehr gerecht würden, unabhängig und überparteilich zu sein, halte ich für ein Fehlurteil.

Wir berichten fair, ehrlich und professionell, ganz im Geiste unseres Gründers Axel Springer. Bei uns kommen so viele Gesprächspartner wie möglich mit ihren Ansichten zu Wort, so, wie es sich gehört für eine Qualitätszeitung. Das Hamburger Abendblatt ist unabhängig und überparteilich - so war es in der Vergangenheit, so ist es heute und so wird es auch in Zukunft sein. Es ist Verantwortung und Verpflichtung zugleich. Ihr Argument, wir überspitzten Überschriften zu sehr, um Auflagenerfolge zu erzielen, zielt ins Leere. Der Anteil unserer Einzelverkäufe ist gemessen an der Gesamtauflage minimal.

Mit der von Ihnen angedeuteten Strategie liefen wir Gefahr, am Kiosk wenig Positives zu bewegen und bei unseren Abonnenten viel Ärger auszulösen. Sie dürfen uns viel zutrauen - aber nicht die Selbstzerstörung. Hier oder da mögen sich beim "Zeilenschmieden" Pannen einschleichen, Ungenauigkeiten, missliche Nuancen. Das zu bestreiten, hieße die Wirklichkeit zu leugnen. Aber dahinter verbergen sich niemals Absicht oder Kalkül - eher persönliche Fehler.

Sie stellen zugleich mit kritischem Unterton fest, dass das Hamburger Abendblatt nicht ganz so pessimistisch die Wirtschaftskrise begleitet. Ja, aber ist denn das so schlecht? Wir beten nichts gesund, aber wir malen auch nicht schwarz. Ludwig Erhard hat einst betont, 50 Prozent der Wirtschaft sind Psychologie. Da wollen wir nicht diejenigen sein, die in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte weiter Ängste schüren und Sand ins Getriebe streuen.

Ganz ehrlich: Mich befremdet sogar die weit verbreitete Lust am Untergang, die in einigen Medien seltsame Blüten getrieben hat. Zudem machen ja die jüngsten nach oben revidierten Wachstumsprognosen nicht nur Mut, sondern geben uns auch recht. "Ein Optimist ist jemand, der genau weiß, wie traurig die Welt sein kann, während ein Pessimist täglich neu zu dieser Erkenntnis gelangt", befand Schauspieler und Unicef-Botschafter Peter Ustinov. Axel Springer war übrigens auch ein Optimist, als er einst das ursprüngliche Berliner Verlagsgebäude direkt an der Mauer errichtete. Und er war Visionär, dessen Traum der Wiedervereinigung schließlich in Erfüllung ging.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung: Eine Zeitung für alle zu schreiben, daran arbeiten wir jeden Tag und hart. Übrigens voller Optimismus.

Herzlichst

Ihr Claus Strunz