SPD im Kreis Harburg fordert Aufklärung von Landrat Joachim Bordt über das Vorgehen der Ausländerbehörde

Jesteburg. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen erwägt, Strafanzeige gegen die Ausländerbehörde des Landkreises Harburg im Fall der Abschiebungshaft von Slawik C. zu stellen. "In unseren Augen hat die Behörde Rechtsmissbrauch betrieben. Die Abschiebung basierte auf falschen Personalien, mit deren Hilfe sich die Behörde die Passersatzpapiere von der armenischen Botschaft besorgt hatte. Angesichts der Tatsache, dass die Familie jedes Mal zu den von der Ausländerbehörde festgesetzten Terminen erschien, um ihre Duldung verlängern zu lassen, spricht eindeutig gegen eine Fluchtgefahr. Aus diesem Grund sehen wir auch eine Rechtswidrigkeit des Haftbefehls", sagt Geschäftsführer Kai Weber. Unter "fadenscheinigem Grund lockte man den Mann ins Kreishaus, um ihm angeblich die Duldung zu verlängern, ihn tatsächlich aber festzunehmen", so Weber.

Wie berichtet hatte sich der Jesteburger am Abend des 2. Juli in der Abschiebungshaft der Justizvollzugsanstalt Langenhagen erhängt. Wenige Tage zuvor, am 28. Juni, war er vor den Augen seiner Familie im Kreishaus verhaftet worden. Slawik C. sollte nach fast elf Jahren, die er in Jesteburg mit seiner Familie lebte, nach Armenien abgeschoben werden. Bei ihrer Einreise nach Deutschland hatte die Familie angegeben, "Aserbaidschaner armenischer Volkszugehörigkeit" zu sein. Im Jahr 2003 wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Die Ausländerbehörde in Winsen schaltete Interpol zur Feststellung der Identität der Familie ein, weil sie der unterstellte, falsche Angaben gemacht zu haben. Im Fall Slawik C. wurde Interpol angeblich fündig und lieferte der Ausländerbehörde armenische Personalien. Laut Flüchtlingsrat waren die aber falsch. Weber: "Die Behörde hat offenkundig falsche Identifikationsdaten von Interpol dazu benutzt, um sich bei der armenischen Botschaft ein Passersatzpapier für den aus der aserbaidschanischen Provinz Nachidjevan stammenden Mann zu beschaffen und die Abschiebung durchzusetzen. Wissentlich hat die Ausländerbehörde den Flüchtling unter falschen Voraussetzungen in das falsche Land abschieben wollen", sagt Weber.

Die Ausländerbehörde hatte beim Amtsgericht Winsen einen Haftbefehl beantragt. Harburgs Landrat Joachim Bordt dazu: "Es war zu befürchten, dass sich der Mann der Abschiebung entzieht. Vor einiger Zeit wurde Herr Ch. in Holland von den Behörden aufgegriffen. Wir mussten davon ausgehen, dass die Familie Kontakte nach Holland hat und dort untertauchen würde, wenn ihnen die Abschiebung droht." In dem Haftbefehl mit dem Ausstellungsdatum 28. Juni 2010, der dem Abendblatt vorliegt, und auf den Namen Slawik-Tsolak Khurshudyan ausgestellt ist, ist keine Rede von Fluchtgefahr nach Holland. Dort steht zur Begründung: "Gegen den Betroffenen ist Haft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen, weil die Rückführung am 7. 7. 2010 erfolgen wird und zu befürchten ist, dass der Betroffene sich zu dem Abschiebungstermin nicht bereithalten würde. In diesem Zusammenhang wird darauf hin gewiesen, dass der Betroffene bislang keinerlei Bemühungen unternommen hat, um freiwillig aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen." Das Amtsgericht, das den Haftbefehl ausstellte, sah die Gefahr, "dass die betroffene Person im Bundesgebiet untertauchen würde". Weiter heißt es: "Passersatzpapiere liegen vor. Somit ist die Identität des Betroffenen zweifelsfrei geklärt. Abschiebungshindernisse liegen nicht vor."

Die SPD im Kreistag hat für den nicht öffentlichen Kreisausschuss am 9. August das Thema Abschiebungshaft auf die Tagesordnung setzen lassen. "In diesem Fall sind einige Ungereimtheiten. Die wird Landrat Joachim Bordt uns erklären müssen. Aber selbst wenn alles korrekt abgelaufen sein sollte, was ich bezweifle, ist das Ergebnis doch schrecklich. Ein Mensch hat sich aus Verzweiflung und Angst vor der Abschiebung umgebracht. Hier ist eindeutig der Artikel I des Grundgesetzes verletzt worden, dass die Würde des Menschen unantastbar ist", sagt Fraktionschef Prof. Jens-Rainer Ahrens.