Grüne im Landkreis Harburg wollen nach dem Freitod eines Asylbewerbers nicht einfach zur Tagesordnung übergehen

Winsen. Die Grünen im Landkreis Harburg fordern eine lückenlose Aufklärung des Falles Slawik C. Wie berichtet hatte sich der 58 Jahre alte Armenier aus Jesteburg am 2. Juli in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Langenhagen erhängt. Der Mann war am 28. Juni in der Ausländerbehörde der Kreisverwaltung festgenommen worden und sollte nach Armenien abgeschoben werden. Die Grünen-Fraktionschefin Ruth Alpers sagt: "Wir wollen eine lückenlose Aufklärung auch der ausländerrechtlichen Hintergründe. Wir können und dürfen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen."

Slawik C., der eine Frau und einen Sohn hinterlässt, lebte seit fast elf Jahren in Jesteburg, hatte hier Freunde gefunden, sich in verschiedenen Ehrenämtern im Ort engagiert und galt als freundlicher, hilfsbereiter Familienvater. Sein Tod wurde in Jesteburg mit Bestürzung aufgenommen. Der Mann sollte in sein Heimatland abgeschoben werden, weil sein Asylantrag von der Ausländerbehörde abgelehnt worden war. Dasselbe Schicksal droht nun seiner Witwe, auch sie wird derzeit nur noch in Deutschland geduldet und muss täglich damit rechnen, verhaftet zu werden. Der Sohn darf in Deutschland bleiben. Jesteburgs Bürgermeister Udo Heitmann (SPD) und Elisabeth Meinhold-Engbers, von den Grünen und Freundin der Familie zeigten sich überaus bestürzt über diese "unmenschliche Praxis der Ausländerbehörde, die lediglich Gesetze umsetzt, ohne den Menschen dahinter zu sehen".

Die Grünen im niedersächsischen Landtag fordern eine Unterrichtung über den Selbstmord in der Abschiebehaft im Rechtsausschuss des Landtages. Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sagt: "Dieser tragische Fall macht uns deutlich, dass die Landesregierung endlich handeln muss. Wir haben mehrfach kritisiert, dass die Koalition es billigend in Kauf nimmt, dass Menschen in Niedersachsen mehrfach rechtswidrig in Abschiebehaft genommen wurden." Im Zusammenhang mit dem jüngsten Fall aus Jesteburg wirft Meinhold-Engbers der Ausländerbehörde vor, bei der Verhaftung von Slawik C. "fröhlich den Rahmen des Gesetzes gesprengt zu haben".

Die Grünen im Landtag wollen unter anderem die Frage geklärt wissen, "inwieweit niedersächsische Gerichte in der Vergangenheit zu Unrecht angeordnet haben und welche Konsequenzen das Justizministerium daraus zieht. Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag: "Hamburg hat nach zwei Suiziden die Haftpraxis verändert und prüft weitere Maßnahmen. Niedersachsen muss sich ebenfalls bewegen. Außerdem müssen wir endlich zu Alternativen zur Abschiebehaft kommen." Die Grünen fordern seit langem die Abschaffung der Abschiebehaft. Harburgs Landrat Joachim Bordt hatte erklärt, Slawik C. sei bei seiner Verhaftung im Kreishaus von der Amtsrichterin gefragt worden, ob er Suizid-Gedanken habe. Diese Frage habe der Mann verneint. Bordt rechtfertigte die Verhaftung unter anderem damit, dass bei dem Mann Fluchtgefahr bestanden habe.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert "die niedersächsische Landesregierung auf, den Fall des armenischen Flüchtlings Slawik C. lückenlos aufzuklären und die rigide Abschiebungspolitik des Landes endlich zu beenden. Nicht eine bessere Kontrolle der Flüchtlinge, sondern ein sensibler Umgang mit Flüchtlingen sowie der Verzicht auf Abschiebung um jeden Preis muss die Konsequenz aus diesem neuerlichen Todesfall in Abschiebungshaft sein". Der Ausländerbehörde in Winsen wirft der Flüchtlingsrat vor, dass diese Inhaftierung "skandalös" gewesen sei. "Die Inhaftierung hätte gar nicht erfolgen dürfen, da Slawik C. keinerlei Anlass für die Vermutung gegeben hat, dass er sich der Abschiebung entziehen wollte", heißt es in einer Mitteilung des Flüchtlingsrates.

Außerdem habe die "Ausländerbehörde des Landkreises Harburg offenkundig falsche Identifikationsdaten von Interpol dazu benutzt, um sich bei der armenischen Botschaft ein Passersatz-Papier für den aus der aserbaidschanischen Provinz Nachidjevan stammenden Mann zu beschaffen", heißt es weiter.