Liebe Redaktion,

in Hamburg zählt das Geld - man ist, was man hat. Hat man nichts, stellt man keinen Nutzen dar und gehört nicht zu der angepeilten Zielgruppe. Dies merken nicht nur Künstler, sondern auch Familien, Kranke, Alte, Arme, Unterprivilegierte - alle, die nicht dem Bild des Boss-gekleideten Urban Professionals entsprechen. Mieten, die eine Frechheit sind und schon mittelständische Familien an die Peripherie unserer glitzernden Metropole drängen bzw. zwingen, sowie eine schicke HafenCity - gemacht für Besserverdienende - sprechen eine beredte Sprache.

Verglichen mit dem Hamburg, welches ich vor 13 Jahren kennengelernt habe, stellt das jetzige eine glitzernde, oberflächliche, polierte Möchtegern-Weltstadt dar, die, dem Kapital hörig, jene vergessen zu haben scheint, die ursprünglich die Stadt zu dem gemacht haben, was sie einmal war: ein originelles, extraordinäres Pflaster für Menschen aller Couleur. Ein Hamburg fürs Geld - die, die es bereits im Überfluss haben, und jene, die ihm hinterherjagen. Eine seelenlose, dafür hübsch anmutende und mausetote Fassade, gähnend langweilig in ihrer Kantenlosigkeit. Ein bisschen subversiver Underground würde Hamburg gut stehen. Leben und leben lassen - auch jene, denen kein Glamour anhaftet. Warum nicht mit den Künstlern im Gängeviertel beginnen?

S. Isele, per E-Mail

Sehr geehrter Leser,

in Hamburg zähle das Geld, sagen Sie - ja, da gebe ich Ihnen recht. In dieser Hinsicht ist es hier wie überall. In jeder Stadt, in jeder Gesellschaft, die geprägt ist von Marktwirtschaft und Konsum, spielt Geld eine Rolle. Ihre General-Abrechnung vermag ich daher überhaupt nicht zu teilen. Mehr noch: Ich finde, es bedarf einer Widerrede.

Es gibt wohl keine Stadt, die so tolerant ist wie Hamburg. Oder gefällt Ihnen das große Dorf München samt Spezlwirtschaft besser, bevorzugen Sie Berlin, die Weltstadt mit Hartz, oder neigen Sie gar dem verklüngelten Frohsinn der Kölner zu?

In vielen Hamburger Stadtteilen leben besser und weniger gut verdienende Menschen Tür an Tür. Ja, wir sind auch eine glitzernde Metropole mit edlen Einkaufsstraßen - aber solche Zentren hat jede Metropole. Und: Einzelhandel kurbelt die Wirtschaft an und sichert somit Arbeitsplätze. Hand aufs Herz, sind Sie wirklich dagegen?

Hamburg und Glamour wiederum sind für mich kein feststehendes Begriffspaar. Zu Hamburg passen eher Engagement, Unternehmergeist und Hilfsbereitschaft. Es gibt unzählige Initiativen, Stiftungen, Vereine, aber auch einzelne Bürger, die sich um diejenigen kümmern, die am Rande unserer Gesellschaft stehen. Das erwähnen Sie leider mit keinem Wort.

Da ist etwa die Hamburger Tafel, die Hungernde mit Essen versorgt, und auch Prominente helfen mit ihrem Einsatz immer wieder in Hamburg auch denjenigen, die Hilfe bitter nötig haben. Erst am Sonntag traten wieder Prominente in Hamburg bei einer Charity-Modenschau auf, der Erlös ist für den Verein Dunkelziffer, der sich für sexuell missbrauchte Kinder engagiert, und für das Hospiz Hamburg Leuchtfeuer. Hamburg, eine seelenlose Fassade, mausetot, eine oberflächliche Weltstadt? Nein, die sähe anders aus.

Natürlich kann manches noch besser werden. Das heißt aber nicht, dass derzeit alles schlecht ist. Nicht sparen bei der Kunst, fordern Sie? Damit haben Sie mich nebenbei gesagt, ganz auf Ihrer Seite.

Herzlichst Ihr Claus Strunz