Zum Festmahl kamen mit Hans-Dietrich Genscher, Marianne Birthler und László Sólyom in diesem Jahr gleich drei Ehrengäste nach Hamburg.

Hamburg. Seit 1356 ist dieser Abend einer, an dem "Hamburgs regierender Götterkreis lacht". So jedenfalls formulierte es 1711 Reinhard Keiser in einer eigens für das traditionelle Matthiae-Mahl komponierten Tafelmusik. Mit einem Lachen, jedenfalls friedlich, wurde auch das diesjährige Festmahl im Hamburger Rathaus begangen. Gemäß dem ausgerufenen Thema "Europas friedliche Revolution 1989" dinierten 400 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Kirchen bei dem seit 654 Jahren historisch belegten und damit ältesten noch begangenen Abendessen der Welt.

Als Ehrengäste wurden Prof. Dr. László Sólyom, Staatspräsident der Republik Ungarn, Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, sowie Bundesaußenminister a. D. Hans-Dietrich Genscher geladen. Dabei waren auch Generalkonsulin Karen E. Johnson, Reeder Erck Rickmers und Bernd Buchholz (Gruner+Jahr), Altkanzler Helmut Schmidt hatte kurzfristig abgesagt.

Wie allezeit, wenn Staatsbesuch in der Stadt ist, wehte auf dem Dach des Rathauses unter der Senatsflagge die jeweilige Landesfahne, gestern wurde die ungarische gehisst. Gegen 19 Uhr fuhren die ersten Gäste vor, darunter Genscher mit seiner Ehefrau Barbara, die mit Marianne Birthler von Bürgermeister Ole von Beust auf dem Spiegel des Rathauses empfangen wurden. Gemeinsam erwarteten sie László Sólyom, bevor sich die Gruppe zu einem Vorgespräch ins Bürgermeisteramtszimmer zurückzog. Traditionell folgte dann die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt im Phönixsaal.

Währenddessen schritten die anderen Gäste über die mit rotem Teppich ausgelegten Treppenstufen hinauf bis in den Großen Festsaal, um sich ihren lederbezogenen Platz an den drei langen Tafeln zu suchen. "Ich hoffe, dass ich meine Stützstrümpfe nicht zu sehr vermissen werde", scherzte die hochschwangere Autorin Ildikó von Kürthy mit Blick auf die Länge des Essens.

Die Tische waren formvollendet geschmückt, neben den berühmten Tischaufsätzen aus dem Silberschatz und den fünfarmigen Kerzenleuchtern rankten weiße Orchideen und violette Rosen. Bürgermeister Ole von Beust sagte: "Die Speisekarte klingt meist toller, als es dann ist. Die Essenz vom Stubenküken ist doch nur eine Hühnersuppe." Er saß mit den Ehrenbürgern, Ballettdirektor John Neumeier, dessen Partner Prof. Dr. Hermann Reichenspurner, Frank und Margit Horch, den Ehepaaren Greve und Seeler sowie den Staatsgästen am Ehrentisch vor Kopf.

Der Bürgermeister hielt die Eröffnungsrede: "Ich freue mich, dass hierzu drei Ehrengäste nach Hamburg gereist sind, die ihren jeweils ganz persönlichen Beitrag zum Gelingen dieser Revolution geleistet haben - und die zugleich die vielen Menschen repräsentieren, die daran mitgewirkt haben, dass der Eiserne Vorhang fallen und die Teilung Europas überwunden werden konnte."