Der ungarische Staatspräsident László Sólyom sprach in seiner Rede sehr persönliche Erinnerungen an die Hansestadt Hamburg an. Er hat hier eine Zeitlang gelebt: "Ich kehre zurück an Orte, an denen ich viele Jahrzehnte früher gewesen war, und das erfüllt mich mit einem erfreulichen und nachdenklichen Gefühl. Ich habe in den Siebzigerjahren und Anfang der Achtziger mehrere Monate am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg verbracht. Neben der Arbeit habe ich vom Mittelweg aus verschiedene Teile von Hamburg sowie die norddeutschen Kleinstädte erforscht und nach der Welt der Buddenbrooks und der von Theodor Storm gesucht." Er habe hier aber auch die Shakespeare-Inszenierungen von Peter Zadek gesehen.

Die Rückkehr aus Anlass des Matthiae-Mahls habe aber für ihn "ein darüber hinausgehendes emotionales Gewicht. Denn wie hätte ich mir denken können, dass ich eines Tages als Präsident einer freien und unabhängigen Republik Ungarn zu Gast in der Freien und Hansestadt Hamburg im vereinigten Deutschland sein werde? Und das diesjährige Thema des Matthiae-Mahls, die Wende, berührt mich persönlich: Meine damalige Rolle veranlasst mich dazu, den historischen Prozess zu überdenken", sagte Sólyom. "In den Augen der internationalen Öffentlichkeit waren lange Zeit Ungarn und die anderen Staaten Mitteleuropas eine ,neue Demokratie'. Die Bewertung ,neue Demokratie' habe ich stets zurückgewiesen. Die Demokratie war für uns nicht neu, sondern wir konnten zu ihr zurückkehren. Die Wende selbst war eine Rückkehr aus dem Ostblock, eine Heimkehr nach Europa: Ich möchte bemerken, dass die geistige und kulturelle Gemeinschaft mit Mitteleuropa nie unterbrochen war."

Zu den Parallelen der deutschen und der ungarischen Geschichte merkte der ungarische Präsident an: "Durch das gemeinsame Schicksal, durch die Grenzöffnung und die demokratische Wende wurde nicht nur eine gegenseitige Empathie gesichert, sondern es ist auch die Solidarität zwischen unseren Ländern offenbar geworden. Die den Ostdeutschen geleistete Hilfe in Ungarn und anschließend die Genehmigung ihrer Ausreise in die Bundesrepublik war ein großartiger Akt von Solidarität sowohl seitens der damaligen ungarischen Regierung als auch der ungarischen Bevölkerung." Abschließend sagte Sólyom: "Wenn wir uns an den 20. Jahrestag der Wende erinnern, dann ist es unsere Last, zugleich jedoch auch unsere Freude, dass uns eine so großartige Aufgabe zuteilgeworden ist."