Laut einer Studie interessieren sich immer weniger Studenten für ein Semester in der Fremde. Das ist auch nicht immer zwingend notwendig.

Fremde Sprache und Kultur kennenlernen, seinen Horizont erweitern und Fachwissen aus anderer Perspektive erleben: Das alles spricht für eine Auslandsstation während des Studiums. Doch die Wirklichkeit an deutschen Hochschulen sieht anders aus.

Zwar waren 2009 laut Statistischem Bundesamt rund 115 500 deutsche Studenten an einer ausländischen Hochschule eingeschrieben - mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren -, doch insgesamt sinkt seit Jahren die Bereitschaft, sich in einem anderen Land akademisch zu bilden. Über alle Studienarten hinweg sind etwa 40 Prozent aller Nachwuchsakademiker "Mobilitätsverweigerer", hat eine aktuelle Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung im Auftrag des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ergeben.

Bachelor-Studenten fehlt häufig die Zeit fürs Auslandssemester

Die Studie untersucht, welche Motive für deutsche Studenten heute für oder gegen ein Auslandsstudium sprechen. Zu den wichtigsten Faktoren gehören offensichtlich die Hochschul- und die Studienart. So kann lediglich ein Zehntel der Uni-Studenten in den stark strukturierten Bachelor-Studiengängen im dritten und vierten Semester eine Auslandsphase vorweisen. Erst im fünften und sechsten Semester steigt dieser Anteil auf 22 Prozent.

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"Für viele Studierende ist vor allem wichtig, ihr Studium schnell abzuschließen", sagt der stellvertretende Leiter des Arbeitsbereichs Studierendenforschung, Ulrich Heublein. "Hinzu kommt die Finanzierbarkeit, die viele als großes Problem sehen." Erst im siebten und achten Semester steigt die Zahl derer, die sich für ein Auslandssemester entscheiden, auf über ein Drittel.

Wer schon als Schüler im Ausland war, wiederholt das gern im Studium

Um die Ursachen für diesen Trend herauszufinden, haben die HIS-Forscher untersucht, was die Entscheidungen der Studenten beeinflusst. Die Förderung der Lust aufs Ausland beginnt demnach bereits vor dem Studium. "Wer durch das Elternhaus unterstützt wird oder bei einem Schüleraustausch schon Auslandserfahrung gesammelt hat, hat meist eine höhere Motivation für Mobilität", sagt Heublein.

Das erlebt auch Nele von Bargen, Hamburger Businesscoach und Karriereberaterin so: "Wer schon zu Schulzeiten zu einem Austausch oder Praktikum im Ausland war, ist vorgeprägt. Derjenige geht dann auch während des Studiums gern noch einmal ins Ausland." Die meisten jungen Leute, die in von Bargens Beratung kommen, interessieren sich allerdings für einen kürzeren Studienaufenthalt. "Wenige wollen ein komplettes Studium im Ausland absolvieren - es sei denn sie sind am Numerus clausus gescheitert", sagt die Beraterin. "Dann gehen sie in die Niederlande oder nach Österreich."

+++Jeder zweite Student soll ins Ausland+++

Im Studium selbst orientierten sich viele am vorherrschenden Meinungsbild in ihrem Fach, hat die HIS-Studie herausgefunden: Mehr als zwei Drittel gaben an, dass die Erfahrungen anderer für sie maßgeblich sind. Heublein: "Ob Professoren und Dozenten für Auslandsaufenthalte werben oder eher dagegen eingestellt sind, spielt auch eine Rolle."

Hinzu komme die jeweilige Fachkultur. Hier gehen die Einstellungen weit auseinander: Berufliche Möglichkeiten, Lehrinhalte, Traditionen und die Anerkennung von Studienleistungen sind maßgebliche Faktoren. "Für Stu Uni-Ranking denten der Gesundheitswirtschaft, Architektur oder des Lehramts ist ein Auslandsaufenthalt nicht zwingend notwendig", sagt auch Beraterin von Bargen. Bei Wirtschaftsstudenten werde internationale Erfahrung, gerade in Konzernen, schon eher vorausgesetzt. Davon abgesehen sei die Auslandsstation aber über alle Fächer hinweg gut für die Persönlichkeitsentwicklung.

+++Sie wollen ins Ausland?+++

Eine Alternative zum Studium im Ausland ist das Konzept "Work & Travel". Was für den jeweiligen Studenten die bessere Wahl ist? Nele von Bargen: "Ich muss mir vorher überlegen, wo ich später einmal hinwill." Ein Jurist ist im Hinblick auf seine Karriere an der ausländischen Uni besser aufgehoben, wer Marketing studiert hat meistens mehr vom richtigen Arbeiten in einem Unternehmen mit fremder Sprache. "Immer vorausgesetzt, man landet nicht in der Pommes-Bude", sagt die Karriereexpertin. Wer den Arbeitgeber für Praktikum oder Job mit Bedacht auswählt, erfährt, wie Wirtschaftsunternehmen im Ausland funktionieren.

Manche Studenten halten außer organisatorischen oder finanziellen Fragen auch persönliche Motive von einem Auslandsstudium ab: Wer sich nicht vorstellen kann, länger von seinem Partner oder seiner Partnerin getrennt zu sein, bleibt lieber in Deutschland, ist ein weiteres Ergebnis der HIS-Studie.

Karriereexpertin Nele von Bargen wundert das nicht: Die Hinwendung zu Werten wie Familie und Beziehung liege ohnehin im Trend. "Wir fragen unsere Workshop-Teilnehmer immer auch nach ihrem Werteschema - und stellen fest, dass Jugendliche immer mehr in diese Richtung streben."