Aus Enttäuschung über die geschäftliche Ausrichtung eines alten Arbeitgebers gründete Uwe Gröning vor 35 Jahren die Firma Innovint.

Es ist nur ein unscheinbares Metallröhrchen, in dem eine Blume steckt. Doch entgegen dem ersten Anschein ist dies keine gewöhnliche Vase. Sie erfüllt die harten Zulassungskriterien für den Einbau in Flugzeuge und kostet je nach Ausführung bis zu 800 Euro. "Ich wette, wir sind auch bei den Blumenvasen Weltmarktführer", sagt Uwe Gröning, Geschäftsführer der Firma Innovint Aircraft Interiors in Wandsbek. "Denn die stellt außer uns niemand her."

Weltweiter Marktführer ist der Hamburger Mittelständler mit 26 Beschäftigten auch bei anderen Produkten: bei Jet-tauglichen Kindersitzen und bei Rollstühlen für die Flugzeugkabine. Zum Angebot des Unternehmens gehören außerdem Zeitschriftenhalter, Garderobenschränke, Trennwände, aber auch Wandkonsolen in hochglanzlackiertem Echtholzfurnier für Regierungsjets. Der Preis eines solchen Einzelstücks liegt weit im fünfstelligen Bereich.

Innovint ist ein echter Familienbetrieb. Grönings Ehefrau Ursula ist Mitgründerin und Geschäftsführerin, ebenso wie Sohn Manfred, eine Tochter kümmert sich um die Buchhaltung. Und bei krankheitsbedingten Personalengpässen kann es vorkommen, dass Uwe Gröning selbst in einen roten Overall schlüpft und zur Sprühpistole greift, um einige der Vasen, deren Liefertermin naht, zu lackieren.

Arbeit mit den eigenen Händen ist ihm nicht fremd - seine Karriere in der Luftfahrtbranche begann im Jahr 1960 mit einer Lehre als Metallflugzeugbauer bei dem Airbus-Vorgängerunternehmen Hamburger Flugzeugbau (HFB) auf Finkenwerder. Ein Schulausflug auf der Elbe, entlang der Firmengebäude, weckte Grönings Flugzeugbegeisterung, die ihn offensichtlich nie mehr verlassen hat: Neben seinem Büro gibt es eine Art Mini-Museum mit unzähligen Flugzeugmodellen, von denen er die meisten auf Flohmärkten gekauft hat, daneben historische Plakate, ausgebaute Cockpitinstrumente und diverse echte Propeller.

Das erste Flugzeug, an dem er selbst mitarbeitete, wurde auch noch von Propellern angetrieben: "In der Lehrschmiede haben wir Fußbodenbeläge für den Transporter Noratlas angefertigt." Nach der Ausbildung und dem Wehrdienst bei den Fallschirmjägern studierte er Flugzeugbau an der HAW. In den Jahren nach der Rückkehr zu dem Unternehmen, das inzwischen Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) hieß und zum Airbus-Konsortium gehörte, stieg Gröning zum Abteilungsleiter auf und war zuletzt verantwortlich für die Kabinenausstattung. Eine seiner Aufgaben: Lieferanten suchen.

"Aber es stellte sich heraus, dass es in Deutschland kaum Zulieferer für die Kabine gab", erinnert sich Gröning. So war MBB gezwungen, selbst Einrichtungsteile wie etwa einen Sitz zu entwickeln. "MBB hat die Beschäftigung mit der Innenausstattung aber nie geschätzt und das Sitz-Projekt wieder eingestellt." Das gab für Gröning den Ausschlag, den Arbeitgeber zu verlassen und in eigener Regie tätig zu werden.

Um das Risiko abzumildern, erfolgte der Ausstieg jedoch graduell: Zusammen mit seiner Frau, einer Technischen Zeichnerin, die er während der Lehrzeit bei HFB kennengelernt hatte, gründete er 1977 die Firma Innovint. In der nächsten Zeit sondierten beide den Markt für ihre Geschäftsidee. Außerdem richtete sich Ursula Gröning ein privates Zeichenbüro ein. Es lieferte in den ersten Jahren ein sicheres Zubrot. "Wir trugen inzwischen ja die Verantwortung für drei Kinder", sagt Ursula Gröning. 1980 machte sich auch ihr Mann selbstständig. Zusammen mit einem Angestellten und Aushilfen starteten sie die Fertigung in einer Doppelgarage: "Unsere ersten eigenen Produkte waren Babybetten und Erste-Hilfe-Kästen für das Flugzeug." Beides findet sich noch heute in der Angebotspalette von Innovint.

Auf Fördergeld konnte das junge Unternehmen kaum jemals zurückgreifen. Auch der Umgang mit den Banken war zunächst sehr schwierig. So haben sich die Grönings daran gewöhnt, Erträge immer wieder in das Unternehmen zu investieren. "Erst als die Bilanzen schließlich besser aussahen, haben wir unsere Hausbank dazu bringen können, unsere Pläne zu unterstützen." Generell aber täten sich Geldhäuser schwer mit wirklich langfristigen Finanzierungen. "Mittelständler müssen danach streben, sich von Banken, aber auch von einzelnen großen Kunden unabhängig zu machen", sagt Gröning.

Für seinen eigenen Betrieb hat er das von Anfang an beherzigt: Innovint liefert nicht nur an vier Flugzeugbauer - außer Airbus sind es Boeing, Embraer in Brasilien und Suchoi in Russland -, sondern auch an Wartungsbetriebe wie Lufthansa Technik und vor allem direkt an mehr als 140 Fluggesellschaften.

Seit der Gründung ist das Unternehmen nahezu stetig gewachsen, doch der Branchenabsturz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 machte einen harten Einschnitt notwendig. Mehrere Mitarbeiter mussten entlassen werden Es dauerte vier Jahre, diesen Einbruch wieder wettzumachen. "Von den Krisen danach haben wir dann aber nicht viel gespürt", sagt Gröning. Außer den mehrjährigen Lieferverträgen schütze die breite Kundenbasis rund um den Globus: "Dass einmal alle nichts bestellen, ist unwahrscheinlich."

Ohnehin böten sich den Zulieferern prinzipiell gute Perspektiven: "Das Wachstum kommt zu uns. Wenn sich der Luftfahrtmarkt in den nächsten 15 Jahren verdoppelt, nimmt auch unser Geschäft zu." Dennoch stehen viele der Mittelständler vor Herausforderungen. Denn Airbus strebt an, nur noch mit wenigen großen Zulieferern direkt zusammenzuarbeiten, während sich die kleinen Firmen weiter hinten in der Kette einreihen müssen. "Viele Mittelständler haben 30 Jahre lang gutes Geld mit Airbus verdient und fragen sich nun: Warum soll das nicht einfach so weitergehen? Die müssen sich jetzt sehr anstrengen", sagt Gröning.

Als Vorsitzender des Zuliefererverbands Hanse-Aerospace und in verschiedenen anderen Gremien kümmert er sich darum, diesen Wandel zu gestalten. Bei Innovint praktiziert er längst "Tandem-Management" mit seinem Sohn, der schon als Schüler sein Taschengeld durch Mitarbeit im Betrieb aufbesserte und Produktionstechnik an der HAW studiert hat. Demnächst will man zudem einen Vertriebsprofi einstellen. Denn Uwe Gröning und seine Frau denken daran, sich in den nächsten Jahren aus der Geschäftsführung zurückzuziehen: "Wir haben noch eine Menge vor." Endlich wollen sie mehr Zeit für Klassik-Konzerte und Theaterabende haben. "Ich finde wirklich, nach 52 Jahren Arbeit in der Luftfahrt ist es allmählich genug", sagt Uwe Gröning. "Nur glaubt mir keiner so richtig."