Herant Vartan, der umtriebige Chef des Kabinenausstatters VPS, machte seinen Vier-Mann-Betrieb in 15 Jahren zur 96-köpfigen Firma.

Immer wieder trifft Herant Vartan in seinem Berufsalltag auf Manager von großen Konzernen, und gelegentlich bekommt er dabei einen vermeintlich "guten Rat" zu hören: "Man sagt mir, ich solle das alles nicht so emotional sehen." Darüber ereifert sich Vartan erst recht: "Man kann ein Unternehmen doch nicht nach 'Schema F' führen. Wenn es nur nach Zahlen ginge, würde diese Firma nicht leben."

Der Betrieb, von dem er spricht, heißt Vartan Product Support (VPS). Herant Vartan hat ihn 1997 in Hamburg gegründet. Anfangs hatte er drei Angestellte. Heute sind es 96 Beschäftigte, die den Einbau der Kabinenausstattung wie etwa Bordküchen in Jets unterstützen - nicht nur bei Airbus.

+++Herant Vartan stattet Flugzeuge aus+++

Emotionen haben in Vartans Laufbahn früh eine wichtige Rolle gespielt. So sorgten sie für den ersten entscheidenden Wechsel: Geboren in Istanbul, kam Vartan mit zwölf Jahren nach Deutschland und absolvierte nach der Schule eine Ausbildung zum Heizungs- und Klimatechniker. Das blieb er jedoch nicht lange. "Wir haben vier Monate lang bei Lufthansa Technik die Heizung in der Kantine repariert, aber bei jeder Gelegenheit bin ich in einen der Hangars gegangen und habe den Triebwerksmechanikern zugesehen", erzählt er. "Das war faszinierend für mich. Ich habe sie beneidet." Nach einer Umschulung arbeitete er selbst bei Lufthansa Technik - 15 Jahre lang.

Irgendwann aber meldete sich wieder die innere Unruhe: "Die Routine hat mich am Ende verrückt gemacht." Ein Fußballspiel gab den Ausschlag für die nächste Veränderung. Der leidenschaftliche Fußballer, langjähriger Ligaobmann beim SV Timmerhorn-Bünningstedt, kam nach einem Spiel seiner Betriebsmannschaft gegen eine Elf des Bordküchenherstellers Mühlenberg mit dessen damaligem Eigner ins Gespräch. Vartan erhielt das Angebot, für Mühlenberg das Geschäft bei Airbus in Toulouse in Schwung zu bringen - der erste Schritt zu selbstbestimmterem Arbeiten. Zwei Jahre später machte er sich wirklich selbstständig.

"Ich hatte nur einen Werkzeugkoffer, viel Fleiß und Ehrgeiz", sagt Vartan. "Manche haben mich für verrückt erklärt, dass ich einen so guten Arbeitsplatz aufgebe und finanzielle Einbußen hinnehme." Zunächst sah das selbst seine Frau, eine in Hamburg geborene Deutsche, nicht viel anders. "Aber Südländer haben nun einmal einen Hang zur Selbstständigkeit, sie sind unternehmungslustiger." Deutsche dagegen neigten dazu, alles wieder und wieder abzuwägen, "da kann eine gute Idee schon zunichte sein". Natürlich dürfe ein Unternehmer auch nicht blindlings in Risiken hineinstolpern, sagt Vartan. In seiner Firma gelte daher die Devise: "Wie ein Türke etwas anfangen, es aber wie ein Deutscher zu Ende bringen."

+++Neue Konkurrenz für Lufthansa Technik+++

Heute hat VPS gut 50 Beschäftigte in Hamburg, die übrigen arbeiten im Ausland - in den Airbus-Werken Toulouse und Tianjin (China), bei Boeing in Seattle, bei dem VIP-Jet-Ausstatter Jet Aviation in der Schweiz sowie zeitweise bei Fluggesellschaften rund um den Globus, wenn deren Maschinen neue Kabineneinrichtung erhalten. Auf Finkenwerder lackiert das Unternehmen zudem Flugzeugteile, unter anderem für die Lufthansa. Weiteres Wachstum ist geplant: VPS wird in den USA auch an den neuen Flugzeugwerken von Boeing in South Carolina und von Airbus in Alabama tätig werden.

Die Ansprüche an neue Mitarbeiter sind hoch. "In der Luftfahrtindustrie muss alles perfekt sein", sagt Vartan. Doch im Fall seiner Firma kommt noch etwas anderes hinzu: "Jeder einzelne Mechaniker steht bei uns stärker im Rampenlicht als in einem großen Konzern, weil wir in kleinen Teams arbeiten." Außerdem wird hohe Flexibilität verlangt: "Wir sind so etwas wie die Feuerwehr. Es kann vorkommen, dass jemand plötzlich für eine Zeit lang in Singapur eingesetzt wird - gleich ab morgen." Das sei nicht für jeden das Richtige: "Ohne Leidenschaft für den Beruf hat man hier keine Zukunft."

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Auf der anderen Seite ist Vertrauen in die Mitarbeiter Voraussetzung in diesem Geschäft. Großes Vertrauen genießt offenbar auch Vartans Sohn Christian, der seit acht Jahren im Unternehmen ist: Er hat die Aktivitäten im Ausland aufgebaut und ist in die Geschäftsführung aufgerückt. Ihr gehört auch Henk Fischer an, der zuvor als Airbus-Manager in Peking arbeitete.

Ihnen will Herant Vartan mehr und mehr das Tagesgeschäft überlassen. Sich selbst sieht er dank seiner langjährigen Kontakte eher als "Türöffner" bei den Kunden. Schon aus Verantwortung gegenüber den Beschäftigten sei es geboten, rechtzeitig die Weichen für die Nachfolge zu stellen, findet Vartan. Damit leitet der 54-Jährige einen Generationswechsel ein: Sein Sohn ist 30 Jahre alt, Fischer 34.

Die Angst, dass es ohne ihn nicht liefe, hat er nicht: "Man darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen." Henk Fischer bestätigt diese Selbsteinschätzung. "Herant Vartan ist ein Teamspieler, Egoismus gibt es bei ihm nicht."

Mit der neuen Aufgabenverteilung hätte der Firmengründer nun eigentlich mehr Zeit für Hobbys, etwa für seine Harley-Davidson - "eine leicht umgebaute Fat Boy". Außerdem ist er leidenschaftlicher Anhänger des FC St. Pauli; schon oft hat er Kunden zu den Spielen des Kiezklubs mitgenommen. Vartan gibt aber zu, dass er erst lernen muss, mit der neu gewonnenen Freiheit umzugehen. "Sich damals selbstständig zu machen war einfacher", scherzt er. "Ich bin immer noch zu unruhig."

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Tatsächlich ist er schon dabei, mit der Firma mpeyer Consulting ein neues Geschäft aufzubauen. Als Berater will er seine Erfahrungen und Kontakte nutzen und zum Beispiel Unternehmen helfen, Chancen im Luftfahrtsektor in der arabischen Welt und den USA zu nutzen. Erste Gespräche führt Vartan schon, 2013 soll es richtig losgehen. Er weiß, dass es nicht ganz einfach sein wird, seinen Einsatz richtig zu dosieren: "Ich muss aufpassen, dass ich nicht in einen Sog gerate, aus dem ich nicht wieder herauskomme."

Auch in die Türkei werden ihn seine Reisen in dem neuen Geschäft wohl gelegentlich führen - und das ist immer etwas Besonderes für ihn. "Wenn ich Kontakt mit meinen Landsleuten habe, schon wenn ich im Schanzenviertel in einem türkischen Lokal esse, ist das eine Herzensangelegenheit für mich. Es macht mich sentimental." Dann werde ihm bewusst, dass seine Generation der Auswanderer "wirklich heimatlos" sei.

Das ändert nichts daran, dass Vartan sich in Deutschland, besonders in Hamburg, wohlfühlt: "Ich habe hier nie negative Dinge in Bezug auf meine Herkunft erlebt - außer dass meine engsten Freunde mich damit ärgern, wenn die türkische Nationalmannschaft mal wieder nicht gut gespielt hat."