Jan Rispens ist Hamburgs Chefvermittler für erneuerbare Energien. Seine berufliche Entwicklung spiegelt den Aufschwung der Branche.

Der Konferenzraum in der achten Etage der Hamburger Wirtschaftsbehörde ist fast voll besetzt. Staatsrat Bernd Egert sitzt an dem langen Tisch, Mitarbeiter von Fachinstituten, eine Reihe von Journalisten. Neben dem Staatsrat hat Jan Rispens Platz genommen. Im dunklen Anzug mit Krawatte wirkt er sehr offiziell. Eine Studie über den Arbeitsmarkt der erneuerbaren Energien will er an diesem Morgen präsentieren. "Die Unternehmen der Branche in der Metropolregion suchen händeringend nach erfahrenen Ingenieuren", sagt Rispens. Vor allem die Nutzung der Windkraft boomt im Norden. Deshalb droht der Branche in Hamburg und Umgebung ein Fachkräftemangel.

Am Tag darauf sitzt Rispens, 47, in Jeans und Hemd in seinem kleinen Büro in einem Geschäftshaus an der Habichtstraße in Barmbek. Unscheinbar, hell und modern sind die Arbeitsräume. Das Unternehmen trägt den sperrigen Namen Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur.

Hier machen Geschäftsführer Rispens und sein fünfköpfiges Team Lobbyarbeit für den schnell und stark wachsenden Wirtschaftszweig. Fast 10 000 Arbeitsplätze werden den Öko-Energien in Hamburg bereits zugerechnet. Der berufliche Werdegang des Niederländers Rispens läuft mit dem Wachstum der erneuerbaren Energien fast völlig synchron. "In den 1990er-Jahren hätte ich nie gedacht, dass Windkraft, Solarenergie und andere grüne Energietechnologien in Deutschland einen solchen Aufschwung nehmen", sagt er. "Ich bin sehr froh, dass ich daran mitarbeiten kann."

+++Unternehmer und Gewerkschaft fordern bezahlbaren Strom+++

Rispens wuchs in der Stadt Dokkum im friesischen Teil der Niederlande auf. An der Universität Enschede ließ er sich zum Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik ausbilden. Intensive Debatten um die Zukunft der Energieerzeugung prägten seine Studienjahre - besonders nach der Reaktorkatastrophe im sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl 1986.

"Manche Professoren sagten mir: ,Lass bloß die Finger von der Energietechnik, da entwickelt sich ja doch nicht mehr viel.' Vor allem durch Tschernobyl bekam ich damals aber einen ganz anderen Eindruck." Das führte den jungen Ingenieur 1993 zu Greenpeace Deutschland. Rispens organisierte als Campaigner der Umweltschutzorganisation entscheidende Aktionen mit, etwa die Besetzung der Ölplattform Brent Spar in der Nordsee. Er zählte damals zu einer neuen Generation pragmatischer Greenpeace-Aktivisten, die neben die Konfrontation die Werbung für neue Technologien und den Dialog mit der Industrie setzten. "Bei Aktionen auf dem Meer haben wir verstanden, dass dort ein riesiges Potenzial für eine nachhaltige Energieversorgung lag, das noch niemand nutzte, vor allem in Windparks auf See", sagt er.

Mit dem Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung 1998 bekam der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland einen immensen Schub. Das Geschäft, das bis dahin vornehmlich Umweltbewegte und Enthusiasten vorangetrieben hatten, wurde auf eine breite professionelle Basis gestellt. Rispens nutzte diesen Schwung und wechselte 2001 als Projektleiter für die Offshore-Windenergie zur noch jungen Deutschen Energie-Agentur (Dena) in Berlin, einer teilstaatlichen Organisation für Analysen und Beratungen am deutschen Energiemarkt. Er beriet die Bundesregierung und die beteiligten Landesregierungen, vernetzte Politik mit Wirtschaft und Wissenschaft. "Ich wollte immer an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Technik arbeiten", sagt er. "Bei Greenpeace hatte ich viel darüber gelernt, wie man politisch gestalten und bewegen kann. Mein Wissen zur Energiewirtschaft konnte ich bei der Dena sehr gut anwenden."

+++Grüne Energie sichert 14.500 Jobs in Hamburg+++

Noch konkreter wurde die Energiewende für Rispens in seiner nächsten Station: Von 2002 an baute er die Windenergie-Agentur Bremerhaven/Bremen auf, eine Interessenvertretung, die mittlerweile rund 350 Mitgliedsunternehmen zählt. Bremerhaven und auch andere Städte an der Nordseeküste waren zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts wirtschaftlich schwer lädiert: Der Niedergang der Werften und der fischverarbeitenden Industrie kamen fast zeitgleich und warfen die Region weit zurück. Mittlerweile wächst in Bremerhaven, Cuxhaven und Emden eine neue Schwerindustrie heran.

An der Küste fertigen Unternehmen riesige Windkraftwerke und deren Fundamente für den Einsatz im Meer. Industriebrachen wurden zu Basishäfen für die Errichtung der Offshore-Windparks und für die Wartung der Anlagen umgebaut. "Es hat mich sehr beeindruckt, diesen Wandel zu sehen und ihn mitgestalten zu können", sagt Rispens. "Den Niedergang traditionsreicher Wirtschaftszweige wie der Fischerei und der Werftindustrie hatte ich in meiner Jugend auch in meiner Heimat an der niederländischen Küste erlebt."

Der Ingenieur tauchte in die Tiefen der norddeutschen Regionalwirtschaft ein, hielt etliche Vorträge über die Zukunft der Windkraft, warb für neue Ideen und Strukturen, verband Menschen und Unternehmen, Wirtschaft und Politik. Er bohrte dicke Bretter bei kleinen und mittelständischen Firmen. Eine Reihe von ihnen wandte sich später den erneuerbaren Energien zu.

+++Gemeinsam ist der Norden stark+++

Ende des vergangenen Jahrzehnts wollte auch der damalige schwarz-grüne Senat in Hamburg eine Netzwerk-Agentur für die Branche der erneuerbaren Energien gründen. Rispens, verheiratet und damals seit Jahren Berufspendler zwischen Hamburg und Bremerhaven, ergriff die Chance. Ab 2010 baute er die Clusteragentur EEHH auf. Mit 60 Gründungsunternehmen aus der Region startete die GmbH, mittlerweile zählt sie mehr als 170 Mitglieder.

Zwischen der Arbeit in Bremerhaven und der in Hamburg sieht Rispens einige Unterschiede. "Beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist Hamburg viel stärker dienstleistungsorientiert als Bremerhaven. Dort sind neue Industriestandorte entstanden. Hier geht es stärker um die Bewegung von Forschungswissen und von Kapital."

Auch die Größe der Branche hat sich in den vergangenen Jahren rapide verändert - und damit die Aufgaben des Lobbyisten Rispens: "Wir müssen heutzutage viel stärker die gemeinsamen Interessen der norddeutschen Länder beim Ausbau der erneuerbaren Energien formulieren und sie bei der Bundespolitik in Berlin zu Gehör bringen", sagt er. Denn längst geht es nicht mehr nur um ökologisch motivierte Ideen für die Energieversorgung der Zukunft. Mittlerweile geht es um Hunderttausende neue Arbeitsplätze - und um Milliarden Euro an Investitionen.