Eigentlich müssten die Entscheider in Hamburg gemeinsam handeln. Doch persönliche Eitelkeiten regieren. Die Vernunft bleibt auf der Strecke.

Hamburg. Bis auf den letzten Platz war der Versammlungsraum in den Landungsbrücken am Donnerstagabend besetzt. Gut 180 Teilnehmer vor allem aus der Hamburger Wirtschaft hatten sich eingefunden. Es war die erste Veranstaltung des renommierten Hafen-Klubs in diesem Jahr. Es war das wichtigste Thema mit der prominentesten Besetzung, das ein Klub dieses Namens in Hamburg präsentieren kann. "Hamburg hält Kurs - Hafenentwicklungsplan bis 2025" hieß der Titel der Veranstaltung. Fünf führende Vertreter der Hamburger Politik und Wirtschaft diskutierten auf dem Podium, wie es weitergehen soll mit Deutschlands größtem Seehafen, was der Stopp der Elbvertiefung durch das Leipziger Bundesverwaltungsgericht für die Hansestadt bedeutet, wie der neue Hafenentwicklungsplan umgesetzt werden soll. Über den Inhalt des Strategiepapiers hatten Unternehmen, Verbände und Politik unter der Regie verschiedener Senate jahrelang gerungen.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) warb als Erster für die weitere Entwicklung des Hafens: "Sind wir die Besten bei der Qualität? Das muss unser Anspruch sein", sagte er, auch mit Blick auf die Konkurrenzhäfen an der Nordseeküste. "Und das verlangt ein starkes gemeinsames Handeln!" Wer wollte ihm da bei der folgenden Diskussion widersprechen? Dass die Bundesrichter von der Elbvertiefung und gegen die Argumente der klagenden Umweltverbände überzeugt werden müssen, dass der Hafen in seiner Entwicklung offen für den Güterumschlag wie auch für die Industrieproduktion bleiben soll, dass die Stadt möglichst nicht auf Kosten von Hafenflächen wächst, darüber waren sich alle einig: Eurogate-Manager Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH), Jens Meier, Chef der Hamburg Port Authority (HPA), HHLA-Vorstand Stefan Behn und Siemens-Standortleiter Michael Westhagemann, der auch Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH) ist.

Doch mit dem "starken gemeinsamen Handeln" ist es derzeit nicht weit her. Hinter den Kulissen der Hafenwirtschaft gärt es. Konflikte, widerstrebende Interessen, persönliche Abneigungen gibt es in einem so komplexen Gebilde wie einem Hafen immer. Besonders in diesen Wochen aber lassen sich die Spannungen kaum verbergen. Bei den Akteuren in Politik und Wirtschaft liegen die Nerven blank. Der für Hamburg so wichtige Containerumschlag stagniert, weil Europa wirtschaftlich in der Krise steckt. Die Freigabe der Elbvertiefung, die seit fast zehn Jahren vorbereitet und geplant wird, liegt in der Hand eines Bundesgerichts. Und die Konkurrenz in Rotterdam, Antwerpen und Wilhelmshaven setzt Hamburg mit neuen Terminals und ambitionierten Wachstumszielen unter Druck.

Wie soll man den Hafen in dieser Lage positionieren? Vor allem UVHH-Präsident Bonz verfolgt da eine klare Linie: mit Konfrontation. Den Umweltverbänden BUND und Nabu und der Stiftung Lebensraum Elbe würde der Hafenmanager, der auch Präsident des europäischen Hafenbetreiberverbandes Feport ist, am liebsten städtische Zuwendungen aus der Hafenwirtschaft kürzen. Hinter vorgehaltener Hand bekommt Bonz manches Lob dafür, dass er sich rhetorisch zum Rammbock der Hafeninteressen macht, dass er sich dafür sogar dem Verdacht aussetzt, kein guter Demokrat zu sein: "Ich stimme nicht immer mit seiner Wortwahl überein, und manchmal schießt Bonz auch übers Ziel hinaus", sagt ein ranghoher Hafenmanager. "Aber man muss ihm lassen, dass er sich sehr für die Hafenwirtschaft einsetzt und starkmacht."

Offiziell hingegen distanzierten sich die wichtigsten Beteiligten von Bonz: "Die Finanzierung der Stiftung steht nicht zur Debatte. Sie übernimmt grundsätzliche sinnvolle Aufgaben", sagte Wirtschaftssenator Horch vor einigen Wochen. HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters, Präsident des deutschen Hafen-Dachverbands ZDS, wurde noch deutlicher: "Eine Frontal-Konfrontation mit den Umweltverbänden ist nicht zielführend. Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, wenn wir uns in Schützengräben zurückziehen und uns gegenseitig beschießen."

Vergangene Woche setzte Bonz noch eins drauf. Vor der Wahl des neuen Aufsichtsrats beim Bundesligaverein HSV kritisierte er HPA-Chef Jens Meier im Abendblatt: "Das Präsidium (des UVHH, die Red.) nimmt Meiers Kandidatur sehr kritisch zur Kenntnis und kann diese nicht unterstützen. Schon zeitlich ist die zusätzliche Belastung durch die regelmäßigen Ausschusssitzungen beim HSV nicht mit der Tätigkeit als HPA-Chef zu vereinbaren."

Das ist recht unkonventionell in einer Zeit, in der gerade Topmanager die Mobilfunknummern ihresgleichen für einen jederzeitigen Kontakt im Telefon haben. Meier wurde letztlich mit dem besten Stimmenergebnis in das Kontrollgremium des HSV gewählt, für das er kandidiert hatte. Im Hafen-Klub zuckte er, angesprochen auf die Kritik, nur die Schultern. Doch die Stimmung wirkte eisig zwischen ihm und Bonz.

Eine der wenigen kritischen Anmerkungen in der zweistündigen Podiumsdiskussion aus dem Publikum kam ausgerechnet von UVHH-Geschäftsführer Norman Zurke. Der fragte Meier, unter den Blicken seines Präsidenten Bonz, wie es denn mit der "Effizienz" der öffentlich-rechtlichen HPA bestellt sei, die in den vergangenen Jahren neue 200 Stellen geschaffen habe. "Köpfe zu zählen allein reicht nicht aus", gab Meier selbstbewusst zurück. Mehr Mitarbeiter bei der HPA kümmerten sich auch um mehr und komplexere Aufgaben als die Vorgängerbehörde. Bonz selbst ließ es sich nicht nehmen, Meier auf dem Podium darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Terminalbetreiber in Hamburg, sondern auch die Stadt und ihre Institutionen für die Höhe der Hafenkosten verantwortlich seien.

In der Hamburger Hafenwirtschaft, der entscheidenden Branche für den Wohlstand der Hansestadt, gibt es eine Reihe von Machtzentren mit teils widerstrebenden Interessen. Anders als in Rotterdam mit dessen starkem Hafenbetrieb fehlt aber eine zentrale Stimme, die den Hafen nach außen repräsentiert. Wirtschaftssenator Horch setzt auf Konsens und gediegene Umgangsformen. Der Senat, der mit absoluter Mehrheit der SPD regiert, ist der Hafenwirtschaft deutlich aufgeschlossener als frühere Stadtregierungen unter Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Doch es gelingt Horch nicht, die Deutungshoheit über die Entwicklung des Hafens vor allem im Senat zu konzentrieren. Was man wohlwollend als Pluralismus der Meinungen deuten könnte, erscheint in jüngerer Zeit vornehmlich als Kakofonie von Einzelinteressen.

Besonders auffällig erscheint derzeit der Dissens zwischen Bonz und Meier. Beide sind kluge, rhetorisch begabte und höchst ehrgeizige Manager. Während Bonz allerdings sein kämpferisches Image mit Freude pflegt, achtet Meier genau darauf, nicht in politischen Fallstricken hängen zu bleiben. 2005 wechselte Meier aus der Logistikwirtschaft an die Spitze der neu geschaffenen HPA. Aus dem vormaligen Amt für Strom und Hafenbau machte er eine moderne Hafenverwaltung, er knüpfte neue Kontakte zu wichtigen Hafengesellschaften auf der ganzen Welt. In den städtischen Dienst geholt hatten ihn seinerzeit der damalige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) - und dessen Staatsrat Gunther Bonz. Der wurde 2008, nach einem Konflikt mit Bürgermeister von Beust, entlassen und setzte seine Karriere bald darauf in der Hamburger Hafenwirtschaft fort.

Häufig hatten Bonz und Meier ihr Vorgehen koordiniert, auch, um das Übergewicht des stadteigenen Logistikkonzerns HHLA einzudämmen, der allein für rund zwei Drittel des Hamburger Hafenumschlags verantwortlich ist. Meier und Bonz mögen HHLA-Chef Peters nicht, was auf Gegenseitigkeit beruht. Peters allerdings hält sich, seit der Kritik an seinen Vorstandsbezügen im vergangenen Jahr, bei den Debatten um den Hamburger Hafen noch stärker zurück als zuvor bereits.

Dafür sind sich nun Meier und Bonz in Abneigung verbunden. Beide würden wohl gern als Mister Hafen gelten, gerade in schwieriger Zeit, in der Patriotismus hoch geschätzt wird. Bonz' Vorstoß gegen Meiers ehrenamtliches HSV-Engagement schlug genau in diese Kerbe. Zwar entsprang die öffentliche Kritik keinem kompletten Alleingang des UVHH-Präsidenten. Aber andere Mitglieder des Präsidiums urteilen deutlich milder. "Ich sehe das (Meiers Eintritt in den Aufsichtsrat des HSV, die Red.) sportlich. Der Job darf nicht leiden. Aber ich würde mich nicht in private Angelegenheiten einmischen", sagt HHLA-Vorstand Heinz Brandt.

In der Hafenwirtschaft wächst die Skepsis über Bonz. Ein "Unruhestifter" sei er, sagt ein Insider. Auch im eigenen Haus sorgt man sich um die Omnipräsenz des viel beschäftigten Funktionärs. "Man weiß gar nicht, ob Herr Bonz noch bei Eurogate ist. Er ist so viel auf Reisen", heißt es aus dem Unternehmen.

Der Streit hinterlässt in der Außenwirkung keinen guten Eindruck. "Gerade jetzt mit Blick auf die Verzögerung der Elbvertiefung sollten alle Entscheider für den Hamburger Hafen an einem Strang ziehen und persönliche Eitelkeiten hintanstellen. Schließlich geht es nicht nur um den Hafen, sondern um die wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region", sagt der renommierte Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann. "Auch die Tatsache, dass Hamburg bereits zum Nehmerland beim Finanzausgleich geworden ist, sollte uns in diesem Zusammenhang zu verstärkten Anstrengungen anregen."

Womöglich entspannt sich die Lage wieder, sobald sich die Perspektiven für den Hamburger Hafen aufhellen. Alle Beteiligten hoffen mit Blick auf die Elbvertiefung auf eine baldige Entscheidung. Sie könnte noch im Laufe dieses Jahres fallen. Zuständig ist dafür der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der zuvor bereits über den Ausbau von Unter- und Außenweser verhandelt. "Der Senat ist bestrebt, über die Klagen von BUND und Nabu im vierten Quartal zu verhandeln und zu entscheiden", sagte Wolfgang Bier, Sprecher des Bundesverwaltungsgerichts, am Freitag. Einen genaueren Zeitplan für das hochkomplexe Verfahren gebe es noch nicht.

Insgesamt seien mehr als 60 Klagen anhängig, sagte Bier. Neben den Umweltschützern wenden sich mehr als 50 private Kläger sowie Deichverbände oder Segelhafenbetreiber gegen das umstrittene Vorhaben. Das Gericht hatte die Elbvertiefung am 17. Oktober 2012 auf Anträge der Umweltverbände hin vorläufig gestoppt. Das Bundesverwaltungsgericht ist in erster und letzter Instanz zuständig.

Für Hamburgs Hafen und die städtische Wirtschaft geht es um viel. Wenn die Elbvertiefung nach jahrelanger Planung endlich umgesetzt wird, kann Hamburg seine Position als wichtigster Hafen für Nord- und Zentraleuropa behaupten und weiter ausbauen. Über den Fall, dass das Projekt scheitert, spekulierte im Hafen-Klub öffentlich niemand, nicht mit einem Wort. Darin sind sich die Vertreter der Hamburger Hafenwirtschaft ausgesprochen einig.