Die Produktion der von Daimler und Bosch entwickelten Elektromotoren soll 2012 starten - eine Kehrtwende in der Konzernstrategie.

Hamburg. Als Werbeträger für das ansonsten viel gelobte Elektroauto würde sich Dieter Zetsche so gar nicht eignen. Kürzlich monierte der Daimler-Chef, ohne staatliche Stütze würden "weder die Kauflust noch die Kaufkraft der Kunden ausreichen", um die Kosten der Elektroautos zu decken.

Man könnte diese Aussage als Lobbyarbeit abhaken. Doch dann schob Zetsche nach, ein Hersteller, der alleine auf die batteriebetriebenen Fahrzeuge setze, riskiere damit die Zukunft seines Unternehmens. "Vielleicht nicht schon in fünf, aber spätestens in 25 Jahren wird er dafür bestraft werden", warnte der Manager und betonte, dass der Konzern nach wie vor auch die Entwicklung von Brennstoffzellen-Modellen vorantreibe.

Jetzt ist Zetsche Chef des einzigen deutschen Autokonzerns, der sich bei der Entwicklung und dem Bau kompletter Motoren für Elektrofahrzeuge das Risiko mit einem Zulieferer teilen will: Gestern nämlich teilte Daimler mit, der Premiumhersteller und der weltgrößte Autozulieferer Bosch wollten eine Elektroauto-Allianz schmieden.

In einem Gemeinschaftsunternehmen werden die Stuttgarter Konzerne zusammen Elektromotoren entwickeln und produzieren. Der Startschuss solle bereits im nächsten Jahr fallen, teilten die beiden Konzerne mit. 2012 soll die Produktion an den Standorten in Hildesheim und Stuttgart beginnen.

Die Motoren sind zunächst für die Elektroautos der Daimler-Marken Mercedes-Benz und Smart vorgesehen. Bosch soll die Motoren später auch an andere Autobauer vertreiben können. Auch Daimler geht in der Allianz fremd und arbeitet beim E-Antrieb neben Bosch bereits mit seinem chinesischen Partner BYD, dem Industriekonzern Evonik und dem US-Autobauer Tesla zusammen.

Für andere Hersteller ist eine solch enge Kooperation beim technischen Nukleus eines Autos bisher noch ein Tabu. "E-Motor und Batterie sind das Herz des Elektroautos und damit Volkswagen-Kernkompetenz", sagte VW-Chef Martin Winterkorn. Auch Branchenexperte Stefan Bratzel, Leiter des Centers of Automotive in Bergisch Gladbach, ist beim Thema Auto-Allianzen skeptisch: "Die Hersteller täten gut daran, einen Teil der Wertschöpfung bei der Elektromobilität bei sich zu lassen." Wenn ein Konzern keine Wertschöpfung mehr habe, sei er irgendwann austauschbar.

Nichtsdestotrotz bringen sich die Zulieferer beim Thema Elektro-Mobilität in Stellung, wandeln sich vom meist zurückhaltenden Partner zum Konkurrenten. So kündigte jetzt Continental an, einen elektrischen Antriebsstrang für die Serienproduktion von E-Autos herzustellen. Erster Kunde soll Renault sein. Insbesondere auch bei den Batterien wittern etliche Wettbewerber Chancen und wollen in dem weltweiten Milliardenmarkt mitmischen.

Panasonic liefert die Lithium-Ionen-Batterie für den neuen Prius von Hybrid-Pionier Toyota. Bosch und der südkoreanische Samsung-Konzern investieren bis 2013 eine halbe Milliarde Euro in Entwicklung und Produktion von Batterien. Sie sollen im E-Auto von BMW verbaut werden. Auch Siemens entwickelt und baut in Sachen E-Antrieb mit.

Ungewohnt dürfte für die Autobauer vor allem die Konkurrenz von bisher branchenfremden Unternehmen sein: Der Suchmaschinen-Konzern Google lässt seit einigen Monaten intelligente Roboterwagen ohne Fahrer durch die USA kurven. Die Einmischung des Internetkonzerns in die Fahrzeugentwicklung ist ein Zeichen dafür, dass das Auto der Zukunft zum Teil der vernetzten Welt wird.

Der Entwickler der Google-Autos ist Deutscher, Professor an der Stanford University, und hat nicht nur mit dem Sprung über den Atlantik die Seite gewechselt. Früher arbeitete der Computerwissenschaftler mit VW zusammen.