Die Spitzenkandidatin der Grünen spricht über ihren Wahlkampf und umweltfreundliche Wagen.

Hamburg. Abendblatt:

Frau Künast, Sie wollen bis zur Bundestagswahl in einem Kleinbus mehrere Zehntausend Kilometer durch Deutschland fahren. Von der Spitzenkandidatin einer Öko-Partei haben wir das nicht unbedingt erwartet ...

Renate Künast:

Diese Strecke würden wir mit dem Fahrrad nicht schaffen, auch nicht mit Inlineskates. Also haben wir in den sauren Apfel gebissen und uns vier Busse von Opel besorgt. Damit es klimaneutral wird, zahlen wir einen Ausgleich an die Organisation Atmosfair.

Abendblatt:

Die umweltfreundlichsten Autos - das hat eine neue Studie des Verkehrsclubs Deutschland ergeben - bauen nicht die Deutschen, sondern die Japaner.

Künast:

Darauf habe ich schon vor zwei Jahren hingewiesen ...

Abendblatt:

... und die Leute dazu aufgerufen, Hybrid-Autos von Toyota zu kaufen. Nehmen Sie die Studie als Bestätigung?

Künast:

Damals hat mich echt stinkig gemacht, dass die deutschen Automobilvorstände in Brüssel für möglichst hohe CO2-Grenzwerte gekämpft haben. Da habe ich gesagt: Wenn die Deutschen zu blöd sind, moderne Autos zu bauen, muss man den Leuten empfehlen, Toyota Prius zu kaufen. Das war natürlich eine Provokation, weil diese ignorante Haltung dem Klima schadet und Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie bedroht.

Abendblatt:

Was sagen Sie heute? Der Prius ist laut VCD immer noch das umweltfreundlichste Auto.

Künast:

Ich will als Grüne, dass die Leute die modernsten Autos kaufen mit dem niedrigsten CO2-Ausstoß. Die VCD-Liste mit den zehn umweltfreundlichsten Autos bietet eine gute Orientierung. Es ist sehr schade, dass deutsche Anbieter erst auf Platz sieben auftauchen - noch dazu mit einem Zweisitzer, dem Smart. Da muss man den deutschen Autobossen richtig Feuer unter den Stühlen machen. Die müssen so schnell wie möglich andere Autos produzieren und damit Jobs sichern.

Abendblatt:

Die Bundesregierung will die Zahl der Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2020 auf eine Million erhöhen. Das müsste ganz in Ihrem Sinne sein.

Künast:

Die Regierung sagt, sie will Elektroautos, aber sie tut nichts dafür. Wir brauchen dringend ein Anreizprogramm statt der unsinnigen Abwrackprämie. Noch ist ein Elektroauto rund 5000 Euro teurer als ein vergleichbarer Benziner. Daher sollte der Staat jedem Käufer eines Elektroautos ab sofort 5000 Euro überweisen. Das wäre eine Umweltprämie, die ihren Namen verdient. Außerdem brauchen wir wirksame Werbung. Toyota ist es gelungen, einen Star wie Brad Pitt mit seinem Image zu verbinden. Ein solches Rollenmodell müssten auch deutsche Hersteller von Elektroautos finden.

Abendblatt:

Horst Schlämmer ist gerade sehr populär.

Künast:

Dieser Schlämmer mit seinem grauen Kittel? Der kann doch kein Vorbild für die Zukunft sein. Ich mache mir ernsthaft Sorgen, wenn sich Leute schon überlegen, bei der Bundestagswahl die Schlämmer-Partei auf ihren Wahlzettel zu schreiben. Ich stamme wie Hape Kerkeling aus Recklinghausen, und wir haben in Berlin denselben Lieblingsitaliener. Wenn das so weitergeht, werde ich ihn anrufen. Dann muss er klarstellen, dass Horst Schlämmer keine reale Figur ist.

Abendblatt:

Gehören Sie zu den Politikern, die gerne Straßenwahlkampf machen?

Künast:

Ich bin gerne unterwegs und mag es, sechs Wochen voll auf eine Sache konzentriert zu sein. Man bekommt auch viel zurück, Informationen von den Menschen und Lob. Das ist wie beim juristischen Staatsexamen.

Abendblatt:

Klingt eher unangenehm.

Künast:

Überhaupt nicht. Ich lebe im Wahlkampf noch gesünder als sonst. Ich habe seit zweieinhalb Wochen keinen Tropfen Alkohol getrunken. Und ich bemühe mich, regelmäßig etwas Sport zu machen. Nordic Walking finde ich großartig.

Abendblatt:

Sicher würde es noch mehr Spaß machen, wenn die Grünen die Chance hätten, zu regieren.

Künast:

Wir haben diese Chance. Davon bin ich fest überzeugt.

Abendblatt:

Träumen Sie noch von Rot-Grün?

Künast:

2002 ist der Stoiber auf die Bühne gekommen und war schon so siegestrunken, dass er "ein Glas Champagner öffnen" wollte. Eine Stunde später sah die Welt ganz anders aus. Das Rennen ist auch diesmal offen. Wir haben die Chance, grüne Gestaltungsmacht zu bekommen.

Abendblatt:

In welcher Koalition?

Künast:

Die größte Wahrscheinlichkeit liegt in einem Dreierbündnis. Wir wollen Schwarz-Gelb verhindern. Wenn das gelingt, werden wir alles unternehmen, damit die Große Koalition nicht weiterregiert. Noch vier Jahre schwarz-roten Stillstand hält das Land nicht aus. Aus dieser Verantwortung werden wir niemanden entlassen.

Abendblatt:

War es dann klug, ein Dreierbündnis mit Union und FDP auszuschließen?

Künast:

Wir werden nicht der Mehrheitsbeschaffer für die Politik von CDU, CSU und FDP sein. Wer systematischen Sozialabbau betreiben und die Steuern für Reiche senken will, ist für uns nicht koalitionsfähig.

Abendblatt:

In Hamburg regieren Sie doch auch mit der CDU. Warum soll das im Bund nicht funktionieren?

Künast:

In Hamburg klappt es sehr gut und findet bundesweit Beachtung. Auf Bundesebene ist das aber mit einer CDU, die auf Atomkraft setzt und sich dem Mindestlohn versperrt, nur Theorie.