Die Hamburgerin war bekannt als Bühnendarstellerin, Loriots geniale Partnerin in Sketchen und Sekretärin in der Krimiserie "Adelheid und ihre Mörder". Ihr Privatleben hielt sie unter Verschluss. Ihr Tod kam für die meisten unerwartet. Wenige Tage später erinnern sich Mitschülerinnen, ein Maskenbildner sowie ein Nachbar an eine disziplinierte, lebensfrohe und sehr fürsorgliche Frau. Wie Evelyn Hamann (65+) im wirklichen Leben war, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Elke Widmann (65), Helga von Osten (64) und Elke Beckmann (65) machten 1962 mit der Schauspielerin Abitur am Gymnasium in Lokstedt (heute Bondenwald).

Helga: Evelyn kam in der achten Klasse, also 1957, zu uns an die Schule.

Elke B.: Sie hat richtig gute Voraussetzungen gehabt, was die Schule betrifft. Das Gymnasium in Lokstedt war ja eine musisch ausgerichtete Schule mit Sprecherziehung als festem Unterrichtsfach. Dafür wurde sogar der Handarbeitsunterricht gestrichen. Das war etwas ganz Besonderes.

Elke W.: Wir hatten eine Menge Kinder aus Künstlerfamilien an der Schule. Die kannten sich natürlich alle. Auch bei Evelyn merkte man das. "Oh Quilly", sagte sie immer - das war Will Quadflieg -, und dann fielen sie sich in die Arme.

Elke B.: Bei Schulaufführungen bekam sie immer die Hauptrollen. Unsere Lehrerin Frau Farkt suchte die Stücke wie zum Beispiel "Goldoni - Diener zweier Herren" extra für sie aus. Wir gingen zwar auch alle gern ins Theater, standen nachts stundenlang für Karten an. Aber Evelyn war die beste Schauspielerin, das war schon früh klar.

Elke W.: Sie war schon früh eine Künstlerautorität, ohne sich dabei in den Vordergrund zu spielen.

Helga: Sie war ein toller Mensch. Wenn ich Probleme in der Schule hatte, war sie immer verständnisvoll und hilfsbereit.

Elke B.: Ich weiß auch noch, dass Evelyn zum Abitur krank wurde. Daher musste sie in Englisch mündlich nachgeprüft werden. Das ganze Lehrerkollegium musste noch mal antreten. Das war ihr total peinlich. Wegen ihres englischen Sketches "Middlefrithm" muss ich immer daran denken. Aber ein Klassenclown war sie überhaupt nicht.

Helga: Durch ihre lange schlaksige Figur wirkte sie schon komisch...

Elke W.: Und sie lachte so gern, auch über andere. Wenn wir über die Lehrer meckerten, amüsierte sie sich darüber.

Elke B.: Ich denke, sie hat die Komik des Lebens schon früh erkannt.

Helga: Wisst ihr, was ich typisch für Evelyn finde? Diese Strumpfhosen mit einem Klacks Nagellack drauf. Bei ihr musste es immer schnell gehen, deshalb hat sie Laufmaschen immer mit Nagellack geflickt.

Elke W.: Na, und natürlich ihre Jazzband, mit der sie im Stadtpark auftrat. Da hat sie Klavier gespielt und gesungen. Sie konnte ja so toll singen. Die Band hat bei ihrem 60. Geburtstag gespielt, da war sie völlig baff. "Ach guck, unsere olle Schülerband", hat sie da gesagt.

Helga: Wahnsinnig diszipliniert war sie auch. Geprobt hat sie oft bis spät nachts. Und trotzdem war sie immer morgens um Punkt acht Uhr beim Unterricht. Und ordentlich war sie auch, hatte immer ihre Schulaufgaben gemacht.

Elke B.: Und überleg mal: So hat sie später auch gespielt.

Helga: Elke, du hast sie doch vor 15 Jahren noch mal im Block House getroffen. Da wollte sie auf keinen Fall gestört werden, übte ihre Rolle, ich glaube eine Hörspielfassung von "Krieg und Frieden". Auch das las sie nicht locker vom Hocker runter, sondern das musste alles perfekt sitzen.

Elke W.: Nach der Schule haben wir uns aber nie getroffen. Evelyn wohnte ja damals schon in der Stadt, während wir drei Mädels in Lokstedt lebten. Was sie nachmittags machte, wissen wir einfach nicht. Evelyn war immer schon viel reifer, immer schon mit der Kunst befasst.

Helga: Ich traf sie zwei Jahre nach dem Abitur im Foyer der Musikhochschule. Und da sagte sie plötzlich: "Das ist mein Mann." Sie war schon mit 23 Jahren verheiratet, aber keiner hatte davon etwas mitbekommen.

Elke W.: Sie hatte auch nie eine beste Freundin in der Schule. Sie hat immer mehr beobachtet und hat dies auch sicher später in ihren Rollen verarbeitet. An Klassentreffen war sie nie besonders interessiert. Wir hatten mal ein Schuljubiläum, und alle haben gehofft, dass Evelyn dabei ist. Sie war ja die bekannteste ehemalige Schülerin. Und die Lehrer haben ihre Karriere natürlich mitverfolgt. Aber sie war da schon in Bremen am Theater, hatte keine Zeit. Und ich weiß noch, dass die Schulleiterin zu uns sagte: "Evelyn kommt leider nicht mehr."

Elke B.: Ich wollte sie 1982 zum Klassentreffen einladen. Da war sie freie Schauspielerin in Bremen, das war kurz vor Loriot. Und da sagte sie, es sei so schwer, vom Theater zu leben, so, wie sie es machen wollte. Ich weiß noch: Da ging es ihr finanziell so richtig schlecht.

Helga: Aber dafür hat sie alles von der Pike auf gelernt. "Adelheid und ihre Mörder" habe ich eigentlich nie geguckt. Aber alles mit Loriot. Und "Geschichten aus dem Leben" - da habe ich Tränen gelacht, das fand ich unheimlich toll.

Elke B.: Wir fanden Evelyn nie besonders hübsch, aber sie konnte spielen, dass sie schön war.

Elke W.: Sie war einfach nicht eitel, kam ja immer ungeschminkt in den Unterricht, war ständig müde. Aber ich weiß noch: Einmal trafen wir uns abends bei einer Veranstaltung. Da saß sie neben mir, schick zurecht gemacht, und strahlte. Und da habe ich gedacht: "Das ist Evelyn!"

Das Gespräch führte Vera Altrock