Die Geschichte einer gewalttätigen und obsessiven Liebe. Lucia Etxebarrias dritter Roman.

Ruth ist ein Fall für den Psychiater. Die 33-jährige Regisseurin ist hochgradig neurotisch, hat Psychosen und kämpft mit einem unbewältigten Kindheitstrauma. Aber erst durch die Begegnung mit dem unbeleckt-arroganten Jungdichter Juan kommen die dunkelsten Seiten ihrer Psyche ans Tageslicht.

Die Hauptfigur des Romans "Von allem Sichtbaren und Unsichtbaren" von Lucia Etxebarria stürzt sich in eine hoffnungslose, gewalttätige und obsessive Liebe zu dem zehn Jahre jüngeren Emporkömmling aus der Provinz und zerbricht fast daran.

Etxebarria erhielt in Spanien für ihren dritten Roman den Literaturpreis "Premio Primavera de Novela"; sie gilt als großes schriftstellerisches Talent.

Mit einer außergewöhnlichen Schönheit gesegnet, die ihr nicht selten Vorurteile und Verschmähungen einbringt, hat Ruth in ihrem bisherigen Leben schon einiges durchgemacht, bevor sie auf ihr amouröses Schicksal trifft. Juan ist zwar beeindruckt und fasziniert von der rothaarigen Künstlerin, bleibt aber mit seiner Langweilerfreundin in der fernen Heimatstadt zusammen und treibt mit einem "Ätsch: Ganz kriegst du mich nicht!"-Spiel die depressive Ruth in zwei Selbstmordversuche.

Ruths Geschichte würde in jedem Buch über klinische Psychologie ein hervorragendes Fallbeispiel abgeben, so offensichtlich sind die Gründe für ihre psychischen Absonderlichkeiten. Als sie vier Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter unter mysteriösen Umständen, mit 19 Jahren brennt Ruth mit einem älteren Musiker nach London durch, wo sie nach Zerbrechen der Beziehung als Edelprostituierte arbeitet, um dann - nach Madrid zurückgekehrt - schnell einen Film zu drehen, mit dem sie berühmt wird.

Ein Schwachpunkt des Romans ist die Überladung der Hauptfigur mit Problemen, Ängsten und undurchsichtiger Vergangenheit. Interessant ist, wie Etxebarria den Weg von einer eher harmlosen Verliebtheit in eine verheerende Besessenheit beschreibt und die Art, wie sie die pathologische Verschrobenheit Ruths in ein fest geknüpftes Netz aus Normalität einbindet. Mit Grauen liest man von der impulsiven Gewalt, die sich in zwei Menschen aufstaut, die voneinander besessen sind, aber doch wissen, dass sie nicht zusammen passen.

Lucia Etxebarria: "Von allem Sichtbaren und Unsichtbaren". Frankfurter Verlagsanstalt, 480 Seiten; 24,90 Euro.