Bevor Eric Rohmer als Filmregisseur berühmt wurde, schrieb er den genialen Roman “Elisabeth“.

Ein junger Mann namens Gilbert Cordier schreibt ein Jahr nach dem Krieg über einen Sommer vor dem Krieg. Junge Leute, unbeschwert, unverantwortlich und unwahrhaftig verbringen diese letzte Zeit im Frieden auf dem Lande, nicht weit von Paris. Einer dieser jungen Müßiggänger ist Michel. Er ist mit Irene, einer kaum älteren und reiferen Frau verlobt. Beide öden sich gekonnt vorehelich an. Wortklaubereien beherrschen sie schon wie ein genervtes älteres Ehepaar, unentschlossen haben sie sich ihre Liebe versprochen, von der nichts zu spüren ist.

Es kommt, wie es kommen muss, keiner zieht die Notbremse. Ein angedeutetes Abenteuer mit der titelgebenden Elisabeth endet vor dem Vorspiel.

Der junge Autor hat nur diesen einen Roman geschrieben. Danach änderte er seinen Namen in Eric Rohmer, wurde Filmkritiker, gründete und leitete die legendären "Cahiers du cinema" und galt als der theoretische Kopf der Neuen Welle des französischen Films. Er drehte selbst Filme von denen "Meine Nacht mit Maude", "Pauline am Strand" oder "Das grüne Leuchten" Kultstatus erlangt haben. Sein überragendes cineastisches OEvre entschädigt für seinen Entschluss, nach "Elisabeth" keine weiteren Romane zu schreiben; denn dieses Jugendwerk des gerade 24-Jährigen ist bereits ein frühes Meisterwerk.

Im Mittelpunkt von "Elisabeth" stehen zwei ungleiche Männer. Wie in seinen Filmen verirren sich auch Rohmers Romanfiguren in einem Labyrinth aus Verrat und Unehrlichkeit, um sich schließlich mit dem Schicksal zu arrangieren.

Mit einem scheinbar leichten Entwurf gelingt es Rohmer, die Atmosphäre zwischen Aufbruch und Wankelmut zu schildern. Seine Personen entwickeln sich kaum, nur ihre ganz alltäglichen Neurosen bewegen das belanglose Geschehen.

Die Dialoge der Romanhelden sind borniert. Dabei folgen sie nicht einmal einem Klischee. Sie sind eigene Kreationen gelinder Bösartigkeit. Das ist alles sehr genau beobachtet und die Worte, die Rohmer dafür findet, erfinden diesen Überdruss auf eine poetische Weise neu. So viel Kunst für so viel Banalität!

Besonderen Wert legt Rohmer schon in diesem frühen Roman auf die Szenerie. Manch kurzem Auftritt seiner Akteure geht eine minutiöse Beschreibung der Örtlichkeit voraus. Jeder Zaun, jede Hecke wird erwähnt. Wir sehen seine Figuren immer an Ort und Stelle, genau platziert. Woanders könnten sie nicht so sein, wie sie dann sind.

Der Kontrast zwischen dieser Genauigkeit der Regieanweisung und der Oberflächlichkeit ihrer stichelnden Konversation macht einen hohen Reiz dieses Textes aus. Gerade solche biographischen Ausschnitte, die neurotisch-ungenau bleiben sollen, bedürfen der höchsten literarischen Präzision - Rohmer gelingt sie. Dem "dann eben nicht!" seiner Figuren setzt er künstlerisch sein "nun erst recht!" entgegen.

Eric Rohmer: Elisabeth. Aus dem Französischen von Marcus Seibert. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, 213 Seiten; 15 Euro.