Im südrussischen Hochwassergebiet herrscht Chaos. Kein Strom, kein Gas, kein Trinkwasser. Die Behörden haben die Lage offenbar nicht im Griff.

Moskau. Tausende Überlebende des verheerenden Hochwassers in Südrussland sind weiter ohne Strom und Trinkwasser. Augenzeugen berichteten von furchtbaren Zuständen in dem Gebiet 1200 Kilometer südlich von Moskau. Bei den Überschwemmungen starben mindestens 172 Menschen. Bewohner klagten, dass sie noch nicht die zugesagten Hilfszahlungen erhalten hätten. Medien kritisierten „chronische“ Nachlässigkeiten und Schlampereien der Behörden. Die Regierung handele chaotisch, kommentierte die Tageszeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Dienstag.

Die Zahl der Toten stieg auf 172, wie die Agentur Interfax meldete. Die Behörden veröffentlichten die Namen von 149 Opfern. Etwa 10.000 Rettungskräfte suchten in dem Feriengebiet nach Verschütteten. Regierungschef Dmitri Medwedew kündigte an, alle Betroffenen sollten bis November neue Wohnungen erhalten. Nach offiziellen Angaben sind etwa 30.000 Menschen obdachlos.

Wie die Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ berichtete, waren Mitarbeiter des Zivilschutzministeriums offenbar unzureichend ausgerüstet. Sie ließen sich von Freiwilligen mit Gummistiefeln und Handschuhen versorgen, schrieb der prominente Reporter Oleg Kaschin. Er war vor eineinhalb Jahren wegen seiner regierungskritischen Texte von Unbekannten krankenhausreif geprügelt worden.

Innerhalb von zwei Tagen solle die Gasversorgung in der Urlaubsregion wiederhergestellt werden, kündigte das Zivilschutzministerium nach Angaben der Agentur Ria Nowosti an. Die versprochene Unterstützung werde in den kommenden Tagen ausgezahlt. Aus der Hauptstadt trafen Freiwillige und Soldaten zum Hilfseinsatz ein. Sie sollen bei Aufräumarbeiten und der Trinkwasserverteilung helfen. In Moskau und anderen Städten wurden tonnenweise Spenden für die Opfer abgegeben.

Die Behörden machen extreme Wetterbedingungen für die plötzliche Flut vom Wochenende verantwortlich. „Zwei Flüsse schwollen wegen starker Regenfälle stark an, sie konnten kein Wasser mehr aufnehmen“, sagte der Chef der Behörde für technische Sicherheit, Nikolai Kutyn, der Boulevardzeitung „Moskowski Komsomolez“. Er widersprach Berichten, wonach Wasser aus Stauseen abgelassen worden sei. Es gebe keine Schäden an den Reservoirs, sagte Kutyn. Nach Ansicht des regionalen Zivilschutzes war die Flutwelle nicht vorherzusehen.

Die Behörden hatten eingeräumt, dass die Bewohner nicht früh genug vor dem Hochwasser gewarnt worden waren. Es habe keine Massenwarnung etwa per SMS gegeben, berichtete die Zeitung „Iswestija“ unter Berufung auf Mobilfunkanbieter. Dabei habe die Bezirksverwaltung drei Stunden vorher über die Flutwelle Bescheid gewusst. Auch eine 500 000 Euro teure Studie mit Empfehlungen, wie ein Hochwasser vermieden werden könne, sei nicht umgesetzt worden, schrieb das Blatt.