Es mutet an wie ein Putsch: Die Armee hat in Thailand faktisch die Macht übernommen. Die Übergangsregierung trifft sich heimlich. Experten warnen vor Panik.

Bangkok. Thailand steht nach monatelangem Machtkampf zwischen verfeindeten politischen Lagern seit Dienstag unter Kriegsrecht. Armeechef Prayuth Chan-ocha begründete den überraschenden Schritt in einer Fernsehansprache damit, dass bei den Protestaktionen von Regierungsgegnern „Kriegswaffen“ eingesetzt worden seien. Die Armee wolle weitere Todesopfer verhindern. Nach den Worten des Generals handelt es sich nicht um einen Militärputsch. Die Regierung sei weiter im Amt.

Die Übergangsregierung hat ein Krisentreffen angesetzt. Das Kabinett werde an einem sicheren Ort zusammenkommen, der aber geheimgehalten werde, sagte ein Berater des amtierenden Regierungschefs Niwatthamrong Boonsongphaisan. Der Ministerpräsident hatte am Montag einen Rücktritt ausgeschlossen. Die bisherige Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra wurde aus dem Amt gejagt – auf Druck der Straße und per Entscheidung des Verfassungsgerichts.

Armeechef Prayuth schränkte als erstes die Pressefreiheit ein. Zehn Fernsehsender, die Regierungsgegnern oder -anhängern nahestanden, mussten ihren Betrieb einstellen. Die Armee befahl Sendern, ihre Mitteilungen zu übertragen. weitere Medien wurden angehalten, nur Fakten zu transportieren, um die Aufgabe der Armee, den Frieden zu wahren, nicht zu unterwandern, wie es nach einem Bericht der „Bangkok Post“ hieß.

Unter dem Kriegsrecht kann die Armee Aufstände mit Waffengewalt unterdrücken, sie kann Menschen ohne Haftbefehl festnehmen und mehrere Tage ohne Anklage festhalten. Sie kann die Presse zensieren, Kundgebungen untersagen und Durchsuchungen durchführen.

Eine Demonstration von Anhängern Yinglucks wurde nach Teilnehmerangaben von Soldaten umstellt. „Wir wurden von allen Seiten eingekreist“, sagte ein Demonstrant AFP. Die Soldaten verlangten demnach, die Kundgebung aufzulösen.

Soldaten halten sich noch im Hintergrund

Armeechef Prayuth rief die Menschen auf, nicht in Panik zu geraten, sondern normal weiterzuleben. Die Maßnahme sei nötig gewesen, um „Frieden und Ordnung aufrecht zu erhalten“. Auf den Straßen Bangkoks waren bewaffnete Soldaten zu sehen. Sie hielten sich aber im Hintergrund. Die Läden waren wie immer geöffnet, Menschen gingen zur Arbeit. Die Straßen waren wie jeden Morgen verstopft.

Die Armee erlaubte Regierungsanhänger und -gegner ausdrücklich, ihre jeweiligen Protestlager in Bangkok aufrechtzuerhalten. Sie dürfen ihre Kundgebungsstätten aber nicht zu Protestmärschen verlassen.

Kommentatoren warnen vor schleichendem Putsch

Die USA reagierten mit großer Sorge auf die Verhängung des Kriegsrechts. „Wir sind weiterhin sehr besorgt über die sich vertiefende politische Krise in Thailand“, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki. Washington erwarte eine zeitlich begrenzte Maßnahme des Militärs, um den Ausbruch von Gewalt zu vermeiden. Alle Parteien in dem Land müssten nun zusammenarbeiten, um durch Dialog einen weg aus der Krise zu finden.

„Wir können nur hoffen, dass dies nicht ein „schleichender Putsch“ ist – mit der Regierung zwar weiter im Amt, der Macht aber in den Händen des Militärs“, sagte der Jurist und Kommentator Verapat Pariyawong im Fernsehen. „Wir wollen Demokratie, kein Kriegsrecht!“ twitterte der Kommentator der Zeitung „Nation“, Pravit Rojanaphruk.

In Thailand versuchen Regierungsgegner seit November, die Regierung zu stürzen. Sie werfen ihr Korruption, Machthunger und Ausbeutung des Staates vor. Hassfigur ist für sie Thaksin Shinawatra. Er war Regierungschef und wurde 2006 gestürzt. Die Regierungspartei Pheu Thai hört auf ihn. Die Mehrheit der Thailänder steht hinter ihr. Die Regierungsgegner, die an der Wahlurne keine Chance hätten, verlangen einen ungewählten Rat. Er soll vor Neuwahlen Reformen durchführen, damit kein Politiker je wieder Einfluss wie Thaksin gewinnen kann.