Mit der Befragung weiterer Zeugen geht der Mordprozess gegen Oscar Pistorius in die vierte Woche. Eine Nachbarin berichtete, sie habe zur Tatzeit Schüsse gehört und danach die „angsterfüllten“ Schreie einer Frau.

Pretoria. Im Mordprozess gegen den beinamputierten Sportstar Oscar Pistorius hat eine weitere Nachbarin der Darstellung des Südafrikaners widersprochen. Die Zeugin Anette Stipp sagte am Montag bei einer Befragung der Staatsanwaltschaft vor Gericht in Pretoria, sie habe in der Tatnacht Frauenschreie und Schüsse gehört. Pistorius wird vorgeworfen, seine Freundin Reeva Steenkamp am Valentinstag des vergangenen Jahres vorsätzlich getötet zu haben.

Stipp war die vierte Zeugin, die von weiblichen Schreien berichtete. Pistorius' Verteidiger Barry Roux versucht hingegen zu argumentieren, der Sportler habe selbst geschrien, als er bemerkte, dass er Steenkamp versehentlich erschossen hatte. Der 27-Jährige hat stets beteuert, er habe gedacht, es sei ein Einbrecher im Haus, als er durch die geschlossene Badezimmertür die tödlichen Schüsse abgab.

„Ich habe eine Frau schreien hören, in fürchterlicher Angst. Die Schreie dauerten lange, sie hörten einfach nicht auf“, erklärte Stipp. Sie fügte hinzu, auch ein Mann habe geschrien und weitere Schüsse seien zu hören gewesen, bevor schließlich Stille herrschte.

Steenkamp hatte Angst vor Pistorius

Ein Handyexperte deckte zudem auf, dass Steenkamp sich vor ihrem Freund gefürchtet hatte. Knapp drei Wochen vor ihrem gewaltsamen Tod schrieb sie an Pistorius, dass sie Angst vor ihm habe. Das geht aus einer Mobilfunk-Nachricht hervor, die am Montag vor Gericht in Pretoria verlesen wurde. „Ich habe manchmal Angst vor dir und wie du mich anblaffst und wie du auf mich reagierst“, schrieb Steenkamp demnach über den Kurzmitteilungsdienst WhatsApp an ihren Freund.

Ein Mobilfunk-Experte der Polizei, Francois Moller, las noch weitere Kurzmitteilungen des Paares vor. Er sagte, 90 Prozent der Nachrichten seien liebevoll gewesen. In einer langen Nachricht vom 27. Januar 2013 habe Steenkamp dem Sportler aber unter anderem vorgeworfen, dass er „ständig“ auf ihr herumhacke. Die Polizei hatte in Pistorius' Haus zwei iPhones, zwei Blackberries und zwei iPads gefunden und die darauf gespeicherten Nachrichten und Verbindungsdaten ausgewertet.

Die Staatsanwaltschaft will in den kommenden Tagen nach Angaben des Senders eNCA weitere vier Zeugen befragen. Dann ist die Verteidigung an der Reihe, Zeugen aufzurufen. Einer der ersten könnte der beinamputierte Sportler selbst sein, falls er nicht von seinem Recht Gebrauch macht, nicht auszusagen. Der Prozess, der Anfang März begonnen hatte, soll voraussichtlich erst Mitte Mai zu Ende gehen.