Der Staatsanwalt will im Mordprozess gegen Südafrikas Sprintstar Pistorius baldmöglichst die Akten schließen. Ein Ballistikexperte sagt aus, die Freundin des Sportlers, Reeva Steenkamp, habe hinter der Toilettentür gestanden, als er die tödlichen Schüsse abfeuerte.

Pretoria. Im Mordprozess gegen den südafrikanischen Paralympics-Star Oscar Pistorius will die Staatsanwaltschaft Anfang der kommenden Woche die letzten Zeugen befragen. Das sagte Chefankläger Gerrie Nel am Mittwoch. Zugleich beantragte er bei Richterin Thokozile Masipa, den Prozess auf kommenden Montag zu vertagen, um sich um die letzten Zeugen kümmern zu können. Sie gab dem Antrag statt.

Pistorius' Verteidiger Barry Roux zeigte sich damit einverstanden, den Prozess baldigst abzuschließen. Es sei ein teures Verfahren, und er wolle es nicht hinauszögern, sagte er. Pistorius wird vorgeworfen, seine Freundin Reeva Steenkamp am 14. Februar 2013 nach einem Streit in seinem Haus absichtlich erschossen zu haben.

Der 27-jährige, beidseitig beinamputierte Sprintstar, gab zwar zu, auf seine 29-jährige Model-Freundin durch eine geschlossene Toilettentür in seinem Badezimmer geschossen zu haben. Allerdings spricht er von einem Versehen, da er sie für einen Einbrecher gehalten habe.

Am Mittwoch sagte der Ballistik-Experte der Polizei, Christiaan Mangena, aus, Steenkamp habe mit dem Gesicht zur Toilettentür gestanden, als Pistorius auf sie schoss. Das könnte für die These der Staatsanwaltschaft sprechen. Sie ist davon überzeugt, dass Steenkamp nach einem lautstarken Streit in die Toilette floh und sich verstecken wollte.

Ferner merkte Mangena an, Pistorius habe Kugeln in seiner Pistole benutzt, die zur Selbstverteidigung entworfen wurden und höchsten Schaden anrichten. Demnach spalten sich die Geschosse, sobald sie ein Ziel getroffen haben, in sechs scharfe Teile.

Die Schüsse habe der Athlet aus einer Entfernung von mindestens 60 Zentimeter bis maximal etwa drei Meter abgegeben. Den genauen Standort von Pistorius konnte der Experte nicht ausmachen, möglicherweise seien die Gehäuse während der Ermittlungen „bewegt oder herumgetreten“ worden. Pistorius-Anwalt Roux hatte bereits in den Vortagen angedeutet, Beamte hätten am Tatort gepfuscht und Gegenstände verlegt oder Beweismaterial gar verunreinigt.

Die erste von vier Kugeln traf Steenkmap dem Zeugen zufolge an der rechten Hüfte und brach ihr den Hüftknochen. Daraufhin sei sie in der Toilette nach hinten auf einen Zeitungsständer gefallen und habe ihre Arme sitzend oder halbsitzendend vor dem Kopf verschränkt, um sich zu schützen.

Die zweite Kugel verfehlte Steenkamp der Expertenanalyse zufolge und prallte an der Wand ab. Zwei weitere Kugeln trafen sie in Arm und Kopf, wobei der Kopfschuss offenbar zunächst durch die linke Hand ging und dann ihren Schädel traf.

Während der Aussage des Ballistikexperten zu Steenkamps Kopfwunde steckte sich Pistorius die Finger in die Ohren, um offenbar die Schilderung nicht hören zu müssen. Er selbst hatte vor Gericht schon gesagt, seine Freundin sei öfter in der Nacht auf die Toilette gegangen, ohne dass er es mitbekommen hätte.

Der Ballistikexperte sollte auf Nachfrage von Chefankläger Nel zudem einen Vorfall aus dem Jahr 2012 kommentieren, als Pistorius aus dem Sonnendach eines fahrenden Autos Schüsse abgab. Dies sei „gefährlich“, sagte Mangena. Wegen dieses Vorfalls und zwei anderer mit Schusswaffen muss sich Pistorius ebenfalls verantworten.