Langsam kommt Licht in die obskure Geschichte um den gestohlenen Sarkophag des Großindustriellen. Aber wo ist “Grizzly“?

Wien. Ein toter Multimilliardär, ein gestohlener Sarkophag, eine Erpresserbande, heimliche Geldübergaben und fieberhafte Ermittlungen der Polizei: Der Fall des verschwundenen Sarges des Großindustriellen Friedrich Karl Flick hat alle Zutaten für einen Hollywood-Thriller mit Starbesetzung. Nach tagelangen immer neuen Spekulationen in Österreichs Klatschgazetten scheint jetzt langsam Licht in die obskure Geschichte zu kommen - obwohl noch immer viele ungeklärte Fragen im Raum stehen. Die Zeitung „Kurier“ sprach am Donnerstag von der „wohl skurrilsten Entführung, die es in Europa in den letzten Jahren gegeben hat“.

Nach einer Pressekonferenz der Budapester Polizei scheint jetzt zumindest soviel sicher: Drahtzieher der Leichen-Entführung war ein 41-jähriger Rechtsanwalt aus Ungarn, der zusammen mit einem 31- jährigen Helfer bereits in Haft ist. Nach weiteren vier Mittätern wird noch gefahndet, darunter auch ein Rumäne mit dem Spitznamen „Grizzly“, der in seiner Heimat wegen Polizistenmordes gesucht wird.

Erpressung und Habgier sollen das Motiv des mutmaßlichen Haupttäters gewesen sein. Bereits kurz nach dem Diebstahl des Zinnsarges aus einem Mausoleum im österreichischen Velden im November 2008 schickt der Mann eine E-mail an Flicks Witwe Ingrid: „Ich bin der Boss der Grabräuber. Es ist mir eine Freude, mit Ihnen zu sprechen“, schreibt er, und weiter: „Sie dürfen nicht die Polizei rufen. Seien Sie unbesorgt, der Sarg ist unbeschädigt.“ In einem zweiten Schreiben fordert der Budapester Anwalt dann österreichischen Medienberichten zufolge sechs Millionen Euro Lösegeld. „Damit hat er sein Motiv ja klar beschrieben“, sagte der Sprecher der Familie Flick, Jörg-Andreas Lohr, am Donnerstag der dpa.

Die Familie Flick bietet dem Leichendieb daraufhin zunächst 100 000 Euro. „Dabei handelte es sich um eine polizeitaktische Maßnahme, wir wollten die Täter damit locken“, erklärte Lohr. Zudem wird ein Beweis verlangt, dass der Sarkophag tatsächlich im Besitz des Erpressers ist.

Was dann passiert, könnte auch einem Krimi entsprungen sein: Unter einer Bank im gotischen Stephansdom, dem Wahrzeichen von Wien, hinterlegen die Täter eine Nachricht. Diese führt zu einem Schließfach auf einem Wiener Bahnhof, in dem eine Phiole gefunden wird - ein Glasgefäß mit langem, engem Hals, die von Flicks Sarg stammt. Nun wechseln mit Hilfe eines privaten Security-Mannes und unter Beobachtung der Polizei die ersten 100 000 Euro ihren Besitzer, eine Festnahme gelingt jedoch nicht.

Vor wenigen Tagen sollen dann in einer Budapester Basilika weitere 100 000 Euro gezahlt worden sein - und dieses Mal schnappt die Falle zu. Der 31-jährige ungarische Helfer des Juristen wird dingfest gemacht, und seine Aussagen führen die Ermittler schließlich auf die Spur des Anwalts. Am 18. und 20. November werden dann Außen- und Innenteil des Sarges sichergestellt. Er war in einer Budapester Garage versteckt. Ob und wann das bezahlte Lösegeld wieder in Besitz der Flicks übergeht, ist nach Angaben von Lohr unklar: „Bisher haben wir noch keinen Cent zurückerhalten.“

Für Ingrid Flick und die gesamte Familie des 2006 gestorbenen deutsch-österreichischen Unternehmers ist mit dem Wiederauffinden des Sarges und der sterblichen Überreste eine lange Leidensphase glücklich zu Ende gegangen. „Damit ist für mich ein Alptraum vorbei“, sagte die Witwe. Friedrich Karl Flick wurde am Donnerstagmittag wieder in seinem Mausoleum beigesetzt.