Friedrich Karl Flick: Er hinterlässt sechs Milliarden Euro und eine große Schuld. Dubiose Steuerbefreiungen, Bestechungsvorwürfe und das NS-Erbe belasten seinen Namen.

Hamburg. Dass der Sohn nicht tragen soll die Missetaten des Vaters, ist eine fromme Empfehlung des Propheten Hesekiel. Der Multimilliardär Friedrich Karl Flick, der gestern im Alter von 79 Jahren in seinem festungsartigen Familiensitz am Wörthersee verstarb, hatte zusammen mit einem riesigen Vermögen auch eine große moralische Schuld geerbt.

Und das Schicksal gab ihm die einmalige Chance, seinen berühmten Namen zu rehabilitieren. Dass er diese Chance nutzte, darf bezweifelt werden.

Friedrick Karl Flick war der Sohn des ebenso legendären wie berüchtigten Firmenpatriarchen Friedrich Flick, der etwa ab 1915 mit einer Mischung aus unternehmerischer Genialität und Skrupellosigkeit zum mächtigsten und reichsten Industriellen des Deutschen Reiches aufstieg.

Friedrich Flick spendete großzügig für die Hitler-Partei NSDAP und war Mitglied im "Freundeskreis Reichsführer SS". Damit förderte er direkt Heinrich Himmler - jenen Mann, der die treibende Kraft hinter der industriell organisierten Ermordung von sechs Millionen Juden war und als eine der diabolischsten Gestalten des NS-Regimes gilt.

Flick profitierte auch von der "Arisierung" jüdischer Betriebe, von der Waffenproduktion für den Krieg und vom Einsatz von 50 000 Zwangsarbeitern, von denen ein Viertel zu Tode geschunden wurde. Gegen Ende des Krieges beherrschte Friedrich Flick fast die gesamte europäische Montanindustrie, beschäftigte 120 000 Menschen und hatte ein geschätztes Privatvermögen von rund drei Milliarden Reichsmark. Die Amerikaner verurteilten den "Wehrwirtschaftsführer" zu sieben Jahren Haft, von denen er drei absaß.

1951 entlassen, baute Flick sein Imperium rasch und geschickt wieder auf; bereits 1955 besaß er wieder rund 100 Firmen mit einem Umsatz von acht Milliarden Mark und war der reichste Deutsche. Bald galt er auch wieder als honoriger Mann. In der Stadt Kreuztal gibt es noch immer das Friedrich-Flick-Gymnasium, in Sulzbach-Rosenberg das Dr.-Friedrich-Flick-Stadion.

Als er 1972 starb, hinterließ er einen Konzern mit 330 Unternehmen und einem Jahresumsatz von 18 Milliarden Mark. Alleinerbe war am Ende sein Sohn Friedrich Karl. Mit dessen Bruder Otto Ernst hatte sich der Vater zerstritten, der dritte Sohn Rudolf war im Krieg gefallen. Dem gebürtigen Bayern Friedrich Karl gehörten nun große Teile des industriellen Tafelsilbers der Republik: Beteiligungen an Daimler-Benz, Buderus, Feldmühle und Dynamit Nobel. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler (Thema der Doktorarbeit: "Der Qualitätserwerb im marktwirtschaftlichen System") bewies zwar cleveren Geschäftssinn, doch als Unternehmer reichte "FKF" niemals an den gerissenen Vater heran. Friedrich Flick galt im Vergleich zum Firmengründer eher als Lebemann.

Nur drei Jahre nach dem Tod seines Vaters verkauft der Erbe seinen Daimler-Benz-Anteil an die Deutsche Bank. Für den Erlös des Aktiengeschäftes von fast zwei Milliarden Mark wären gut 980 Millionen Mark an Steuern fällig gewesen. Doch der Flick-Konzern beantragt beim Bundeswirtschaftsministerium eine Steuerbefreiung für "volkswirtschaftlich förderungswürdige Reinvestitionen". Minister Hans Friderichs und sein Nachfolger Otto Graf Lambsdorff erteilen die Genehmigungen. Die für den steuergeschröpften Bürger kaum nachvollziehbaren Steuerbefreiungen erscheinen in äußerst dubiosem Licht, als Steuerfahndern 1981 bei der Durchsuchung des Büros von Flick-Generalbuchhalter Rudolf Diehl Schlüssel für geheimnisvolle Schließfächer in die Hände fallen. In einem dieser Fächer findet sich auch ein Kassenbuch Diehls.

Daraus geht hervor, dass der Flick-Konzern an der Steuer vorbei großzügige Spenden an die Bundestags-Parteien und einzelne Politiker gezahlt hat. In der Liste der finanziell Begünstigten finden sich auch Friderichs und Lambsdorff. Der Graf muss als Minister seinen Hut nehmen, er und Friderichs erhalten Geldstrafen. Der ebenfalls belastete Bundeskanzler Helmut Kohl macht einen Gedächtnis-"Blackout" geltend und kommt ungeschoren davon.

Flicks Chef-Manager Eberhard von Brauchitsch prägt im Zusammenhang mit den Zahlungen den bemerkenswerten Ausdruck von der "Pflege der politischen Landschaft". Der "Spiegel" spricht dagegen von der "gekauften Republik". Weder Flick noch die beteiligten Politiker zeigen sonderliches Unrechtsbewusstsein. Ein Vorstoß zu einer Generalamnestie scheitert allerdings am Widerstand einiger SPD-Rebellen. Ein vom Bundestag 1983 eingesetzter Untersuchungsausschuss tagt 66-mal und produziert 11 500 Seiten Sitzungsprotokolle. Flick bestreitet jedes Mitwissen an der Affäre, die seinen Namen trägt. Für 5,36 Milliarden Mark verkauft er 1985 auch den Rest seiner Beteiligungen an die Deutsche Bank - wieder mit einer Steuerbegünstigung. Wohl um Steuern zu sparen, zieht sich der superreiche Privatier 1994 mit seiner dritten Frau Ingrid nach Österreich zurück. Er wird dort Staatsbürger und erhält das Große Goldene Ehrenzeichen mit Stern für seine Verdienste um die Republik.

Im beschaulichen Velden am Wörthersee geht er der Jagdleidenschaft nach. Und noch einmal macht Flick Negativ-Schlagzeilen: Als Friedrich Karl Flick hartnäckig jegliche Beteiligung am NS-Zwangsarbeiterfonds verweigert - obwohl Teile des Flick-Vermögens mit dem Leid Zehntausender NS-Sklavenarbeiter erwirtschaftet wurden.

Schon lange sehr krank, stirbt Flick in der Nacht zum Freitag im Kreise seiner Familie. Die Töchter Alexandra und Elizabeth stammen aus der ersten Ehe, die sieben Jahre alten Zwillinge Victoria-Katharina und Karl-Friedrich aus der Ehe mit der Österreicherin Ingrid. "FKF" hinterlässt rund sechs Milliarden Euro. Und einen beschädigten Namen.