Nach dem Erdbeben auf Sumatra kämpfen die Retter um jedes Leben. Angehörige graben mit bloßen Händen oder einfachen Hacken.

Padankg. „Ich muss überleben, ich muss meinen 14 Monate alten Jungen aufwachsen sehen“ - mit diesen Worten hat sich Suci Refikawulan Sari unter den Trümmern ihrer Schule 48 Stunden lang Mut gemacht. Eingeklemmt zwischen Betonblöcken und der Leiche einer ihrer Schüler harrte die 25-jährige Lehrerin zwei Tage lang bewegungslos aus. Nach dem Schock über das Erdbeben, die auf die Klasse herabstürzenden Trümmerteile und die entsetzten Schreie ihrer 13 Schüler herrschte zunächst einen ganzen Tag gespenstische Stille. Trost spendete nur die Hand einer zweiten Überlebenden - bis die Rettung gelang: Auch Ratna Kurnia Sari hat das Unglück auf der indonesischen Insel Sumatra wie durch ein Wunder überlebt.

Chronik der schwersten Erdbeben

„Wir haben überlebt, weil wir in einen Hohlraum feststeckten“, sagte Suci. „Wir habe um Hilfe gerufen, aber niemand hat uns gehört.„ Unter den Trümmern auf dem Rücken liegend, sind der Lehrerin an der Sprachenschule in Padang immer wieder die entsetzlichen Bilder ihrer Schüler vor Augen, die kreischend auf der Flucht aus dem einstürzenden Gebäude einer nach dem anderen von krachendem Gebälk erschlagen werden. Die 20-jährige Ratna, die mit der einen Hand ihre Englischlehrerin fassen kann, reicht mit der zweiten bis zu ihrer Freundin Claudia. Aber deren Körper reagiert nicht mehr. „Ich konnte sie sehen, ich konnte sie anfassen, ich wollte sie aufwecken“, erzählt Ratna am Krankenbett verzweifelt über den Tod der Mitschülerin. Sie habe immer nur „Mama, Mama“ gerufen.

Hoffnung keimt auf für die beiden Frauen, als am zweiten Tag die Arbeiten der Rettungskräfte zu hören waren. Den Helfern gelingt es tatsächlich, bis zu dem Hohlraum vorzudringen, in dem die beiden feststecken. Durch ein Loch reichten sie zuerst Wasser, dann Milch und Brot. „Da wusste ich, dass ich gerettet bin“, sagt Ratna. Von dickem grauen Betonstaub bedeckt ziehen die Bergungsmannschaften sie schließlich aus den Trümmern. Wenige Stunden später folgt auch die Lehrerin Suci, die sich nun im selben Krankenhaus von den Strapazen erholt.

Am vierten Tag nach der Katastrophe vom Mittwoch aber schwindet langsam die Zuversicht, Verschüttete noch lebend zu finden. In dem Dorf Pulau Aie, etwa 75 Kilometer nordwestlich von Padang und damit mitten in der am schwersten betroffen Region auf Sumatra, steht ein verzweifelter Familienvater vor den Trümmern eines Hauses. Rund 30 Männer, Frauen und Kinder hatten sich in dem Dorf in der abgelegenen Bergregion für die Abfahrt zu einer Hochzeitsfeier bereit gemacht, als in Folge des Bebens ein riesiger Erdrutsch ganze Häuser beiseite schob. 400 Menschen in vier Dörfern gelten als vermisst und sind wahrscheinlich tot.

„Meine Frau und meine drei Kinder sind verschüttet“, klagt der verzweifelte Vater, der zum Zeitpunkt des Bebens außerhalb seines Dorfes arbeitete. Er habe versucht, seine Kinder zu finden, aber mit bloßen Händen sei das unmöglich. „Wir brauchen schwere Geräte“, sagte er. In den abgelegenen Gegenden müssen sich die Retter oft mit Hacken oder Holzlatten als Werkzeug begnügen.

In der Stadt Padang hingegen könnte es möglicherweise doch ein weiteres kleines Wunder geben: Aus einem eingestürzten Hotel erreichte die Polizei eine SMS-Nachricht, die von acht überlebenden Verschütteten berichtete.„Grabt vorsichtig, wenn ihr die Trümmer wegschafft“, sei darin zu lesen gewesen, sagte Polizeichef Boy Rafri Amar. Er geht davon aus, dass am ehesten im Bereich der Lobby oder in den Konferenzräumen Menschen überlebt haben könnten. Das Ambacang-Hotel gilt auch bei ausländischen Urlaubern als beliebt, die von dort aus zu den Surf-Gebieten um die Mentawai-Inseln aufbrechen. Hotel-Manager Sarana Aji allerdings versichert, zum Zeitpunkt des Bebens hätten dort keine Ausländer gewohnt.