Trotz der spanischen EM-Taktik ohne klassischen Stürmer ging der HSV mit 0:3 unter. Auch Adler konnte die Pleite nicht verhindern.

Hamburg. Früher gab es den Begriff der spanischen Eröffnung nur im Schach. Bis der spanische Nationaltrainer Vicente del Bosque mit seinem genialen Schachzug, sein Team bei der EM in Polen und in der Ukraine ohne einen nominellen Stürmer auflaufen zu lassen, sowohl die Gegner als auch die Fachwelt verblüffte. Was bei den Iberern mit dem triumphalen Titelgewinn endete, sollte dem HSV als Vorlage gegen die Bayern dienen. Doch die Ausführung ging gründlich schief - das 0:3 glich einer Vorführung erster Klasse, die in ein Debakel hätte münden könnte, hätten die Münchner nach dem dritten Treffer nicht in den Leerlaufmodus geschaltet, um Kräfte für die kommenden Aufgaben zu sparen.

In Anlehnung an die spanische Variante hatte auch HSV-Trainer Thorsten Fink freiwillig auf seinen Torjäger Artjoms Rudnevs verzichtet, im 4-3-3-System mit Tomas Rincon einen weiteren Abfangjäger installiert und für Rafael van der Vaart die Rolle als "Falsche Neun" vorgesehen, die Cesc Fàbregas für Spanien so überzeugend interpretierte. Finks Plan war klar: Während der deutsche Rekordmeister im Mittelfeld keinen Raum zur Entfaltung seiner spielerischen Klasse erhalten sollte, wollten die Hamburger in der Offensive mit Kontern ihre Chance suchen. Doch am Ende musste Fink gestehen: "Unser Plan ging leider nur bis zum 0:1 auf."

Die HSV-Spieler waren noch selbstkritischer und gestanden ein, dass bereits nach 15 Minuten "ein Klassenunterschied" (Heiko Westermann) erkennbar war, der unvermeidlich, früher oder später, zu Gegentoren führen musste. Anders als die Spanier, bei denen die Taktik eher für extrem variablen Angriffsfußball spricht, indem mehrere technisch versierte Mittelfeldakteure den Raum für Vorstoße in die Spitze nutzen, verstand es der HSV nie, über längere Zeit in Ballbesitz zu bleiben. Weil die Bayern-Spieler früh das Aufbauspiel störten und weder Milan Badelj noch Tolgay Arslan ins Spiel fanden, hing van der Vaart, der eigentlich den "entscheidenden Ball in die Tiefe" (Fink) spielen sollte, völlig in der Luft - der wertvollste Mann der HSV-Offensive war ausgeschaltet.

Fink wird sich fragen müssen, ob er seine Spieler mit dem "Matchplan" nicht überforderte und ob er mit seiner Umstellung nicht das Signal gab, gegen die Bayern möglichst nur das Schlimmste zu verhindern. Fakt ist jedenfalls, dass sich die Hamburger schnell in ihr Schicksal ergaben, der notwendige Schuss Mut und Entschlossenheit fehlte. Anders als geplant ließ sich der HSV viel zu tief in die eigene Hälfte fallen und animierte so die Bayern zu ihren vielen Vorstößen, vor allem über die Außenpositionen.

Entschuldigend muss allerdings angeführt werden, dass der HSV an diesem Sonnabend Opfer einer Mannschaft wurde, deren Darbietungen vor allem beim herausragenden Franck Ribéry, aber auch bei Thomas Müller und Toni Kroos teilweise an (spanische) Fußballkunst erinnerte. Wie der Torero einen Stier scheuchten die Bayern den orientierungslosen HSV durch die Arena. Pech der Hamburger war es, dass angesichts dieser Ansammlung von Ausnahmespielern die eigenen Unzulänglichkeiten umso deutlicher zum Vorschein kamen. Ein Maximilian Beister, der in seinen 59 Einsatzminuten auf 16 Ballkontakte kam und 90 Prozent seiner Zweikämpfe verlor, konnte einem fast leid tun. Fink hätte ihn früher erlösen müssen. "Manchmal ist man nicht zu schlecht, sondern der Gegner einfach zu stark", erkannte Dennis Aogo an.

Auch für den zweiten Ausnahmeathleten in Reihen des HSV, dem sonst die Retterrolle zukommt, war es kein schöner Abend. Obwohl er eine Reihe von ausgezeichneten Paraden zeigte, war René Adler mit sich unzufrieden: "Es war keine Top-Leistung von mir." War er beim 0:1 durch Bastian Schweinsteiger noch schuldlos - ein langer Ball von Ribéry reichte, um die Defensive auszuhebeln -, ließ er sich beim 0:2 durch Thomas Müller düpieren. "Die Situation war schon geklärt. Dann habe ich mich ein bisschen alleingelassen gefühlt, sodass ich irgendwann die Orientierung verloren habe", schilderte Adler die Szene, "aber an einem normalen Tag mache ich das besser." Beim 0:3 durch Kroos, wieder initiiert von Ribéry, war der HSV-Keeper erneut chancenlos.

Wichtiger für die frühe Entscheidung war aber die allgemeine Planlosigkeit nach der Pause. "Wir waren überhaupt nicht im Spiel, das war lethargisch", kritisierte Westermann. Dabei hatte Fink mit der Hereinnahme von Rudnevs das Zeichen geben wollen, den Rückstand noch zu drehen. Das einst von Sepp Herberger aufgestellte Fußballgesetz, ein Fußballspiel dauere 90 Minuten, galt an diesem Tag nicht. Nach dem 0:3 in der 53. Minute war die Partie im Grunde zu Ende, was Tausende Zuschauer dazu bewog, schon bald die Heimreise anzutreten. Passend dazu pfiff Schiedsrichter Knut Kircher vor Ablauf der Spielzeit die Partie ab.

Nach der schnellen Erkenntnis, dass die Bayern-Qualität nicht der Maßstab für den HSV sein kann, ging der Blick sofort nach vorne. Freiburg, Mainz, Düsseldorf, das sind die Gegner in den kommenden Wochen. "Das sind Spiele mit Gegnern auf Augenhöhe, an denen wir uns messen lassen müssen", sagte Adler. Auch Fink meinte: "Danach wissen wir, wo es hingeht." Sieben Punkte nannte der HSV-Coach als Wunschausbeute ("Das wäre top"). Dass Fink in diesen Begegnungen auf Experimente verzichtet, ist wahrscheinlich. Weil alles andere als die Rückkehr zur alten Grundordnung den Spielern spanisch vorkommen dürfte.