Sportchef peilt große Ziele an. Nach dem grünen Licht für den Rudnevs-Transfer soll der Aufsichtsrat zeitnah auch dem Adler-Coup zustimmen.

Hamburg. Nicht nur die Schweißperlen auf Frank Arnesens Stirn verrieten noch lange Zeit nach dem Abpfiff, dass den Dänen die vorangegangen 90 Minuten des HSV gegen Mainz ziemlich verausgabt hatten. Völlig erschöpft schlurfte der Sportchef am Sonnabend um kurz vor 18 Uhr durch die Katakomben der Arena, ließ sich von dem einen oder anderen Gratulanten umarmen und schüttelte von allen wartenden Reportern die Hände. "Ich bin einfach nur glücklich, nicht als erster HSV-Sportchef in die Zweite Liga zu müssen", sagte der Skandinavier, der sich während der Partie immer wieder über das Geschehen beim Spiel zwischen dem SC Freiburg und dem 1. FC Köln informieren ließ. Eine Saison wie diese, das stellte Arnesen dann auch unmissverständlich klar, soll es in dieser Form nicht noch einmal geben - ganz im Gegenteil.

"Ich bin mir sicher, dass wir durch die Erfahrungen dieser Saison in der kommenden Spielzeit ein, zwei große Schritte nach vorne machen", blickte Arnesen trotz des desolaten Jahres positiv in die Zukunft, und überraschte mit einer echten Kampfansage: "Wir wollen nach oben, der europäische Fußball muss unser Ziel sein. Nächstes Jahr wollen wir in die Top acht." Lediglich den Weg, wie er dieses mehr als ehrgeizige Ziel verwirklichen möchte, wollte Arnesen am Sonnabend noch nicht im Detail verraten. Klar ist nur, dass nach dem endgültigen Klassenerhalt in Kürze die ersten Personalien für eine bessere Zukunft verkündet werden sollen.

So soll als erster Neuzugang zeitnah der lettische Stürmer Artjoms Rudnevs verpflichtet werden. Wie das Abendblatt erfuhr, hat der Aufsichtsrat dem Transfer bereits vor Monaten zugestimmt, obwohl es noch immer keine endgültige Einigung zwischen dem HSV und Rudnevs' Klub Lech Posen gibt. So hoffen Posens Verantwortliche, die vereinbarte Ablöse von drei Millionen Euro doch noch zu erhöhen, obwohl sich alle Parteien schon längst über den seit Monaten feststehenden Wechsel verständigt hatten. Sollte sich Arnesen mit seinen polnischen Kollegen zeitnah einigen, dürfte der Transfer noch in dieser Woche offiziell verkündet werden.

Nur geringfügig länger dürfte die Verpflichtung René Adlers dauern, der in Arnesens Zukunftsplänen eine zentrale Rolle spielt. Das Problem: Wegen finanzieller und gesundheitlicher Bedenken sind nach Abendblatt-Informationen noch immer mindestens zwei Aufsichtsräte gegen den Transfer des früheren Nationaltorhüters, was Arnesen nicht nachvollziehen will. "Ich brauche auch die Hilfe des Aufsichtsrats. Ich hoffe, dass alle mitmachen und mitdenken", sagte der frühere Chelsea-Manager, der den Transfer auch ohne die uneingeschränkte Zustimmung des Kontrollgremiums zeitnah finalisieren will. Laut Satzung würde dem Dänen die einfache Mehrheit reichen.

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Auf seinem angepeilten Weg zurück ins obere Drittel der Bundesliga will es Arnesen aber längst nicht bei den Zugängen von Adler, Rudnevs und des an Düsseldorf verliehenen Maximilian Beister belassen. "Ich kann Neuzugängen im nächsten Jahr keinen europäischen Fußball bieten, aber vielleicht ja schon in zwei Jahren", sagte der zweite HSV-Vorstand, der trotz der finanziellen Schieflage des Vereins mindestens noch zwei "echte" Verstärkungen nach Hamburg locken will. Hinter den Kulissen arbeiten die Vorstände fieberhaft an alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, damit Trainer Thorsten Fink in der kommenden Spielzeit einen konkurrenzfähigen Kader zur Verfügung hat.

"Wir müssen mal schauen, was wir verpflichten können. Wir wollen nicht tausend neue Leute, sondern uns gezielt verstärken", sagte Fink, der besonderen Wert auf eine hochkarätige Verpflichtung im zentralen Mittelfeld legt. Zudem begrüßte der Coach die intensiven Bemühungen Arnesens um Liverpools Offensivallrounder Dirk Kuyt. So soll Fink intern deutlich gemacht haben, dass nach den feststehenden Abgängen von David Jarolim, 31, und Mladen Petric, 31, sowie dem wahrscheinlichen Verkauf Jaroslav Drobnys, 32, besonders ein erfahrener Führungsspieler fehlen könnte. Sollte dieser gefunden werden, könne man sich auf eine vielversprechende Zukunft freuen: "Die jungen Spieler haben viel gelernt, wir haben den drittjüngsten Kader in der Bundesliga. Zusammen können wir nächste Saison einiges erreichen."

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Mindestens genauso schwer wie die geforderten Einkäufe dürfte für Arnesen aber die Aufgabe des Verkaufens sein. Nachdem sich der Sportchef im letzten Sommer schwertat, teure Ladenhüter wie Guy Demel, Alex Silva und Mickael Tavares loszuwerden, soll ihm diesmal ein ähnlicher Millionencoup wie an diesem Wochenende den ungeliebten Nachbarn aus Bremen gelingen. So beeindruckte Werder-Sportchef Klaus Allofs mit dem Verkauf von Ergänzungsspieler Marko Marin für sieben Millionen Euro an den FC Chelsea. Und auch Arnesen will den HSV-Kader auf maximal 26 Profis reduzieren, dabei die eine oder andere Million einnehmen, ohne aber zu viel sportliche Qualität zu verlieren. "Das Gros der Mannschaft wollen wir behalten", sagte Fink, der aber selbst weiß, dass er aus finanziellen Gründen gegebenenfalls auf Topverdiener wie Marcell Jansen oder Marcus Berg verzichten muss. Auch der als schwierig geltende Gökhan Töre, der nach einer herausragenden Hinrunde in der Rückrunde enttäuschte, ist keinesfalls mehr unverkäuflich.

Zu viel wollte Arnesen am Tag der Rettung aber nicht ins Detail gehen. Ähnlich wie die Spieler gönnte sich auch der Sportchef am Sonnabend ein Kaltgetränk, um auf den Klassenerhalt anzustoßen. "Ein Bierchen können wir heute schon trinken", sagte Kapitän Heiko Westermann, der es sich aber nicht nehmen ließ, vor übertriebener Feierlaune zu warnen: "Jeder muss wissen, dass es so nicht weitergeht."