Trainer Terim zeigt sich als äußerst fairer Verlierer. Und jetzt zieht es den Nationalcoach nach Italien.

Basel. Man hat den Türken in der Vergangenheit häufig nachgesagt, dass es für sie im Sport keine "ehrenvollen Niederlagen" gäbe. Doch nicht nur die Leistungen im Halbfinale auf dem Rasen verdienten höchsten Respekt, sondern auch das Verhalten nach der unglücklichen Pleite.

Kaum hatten sich mit dem Abpfiff von Schiedsrichter Massimo Busacca die Freude bei den Deutschen und die Trauer bei den Türken wie ein Orkan entladen, machte sich Fatih Terim auf den Weg zur gegnerischen Bank. Im Moment der größten Niedergeschlagenheit gratulierte der türkische Nationaltrainer jedem Spieler und Betreuer des DFB mit Handschlag.

Später nutzte der 54-Jährige die offizielle Uefa-Pressekonferenz mit hängenden Schultern zu einem pathetischen Abgang. "Die Herzen von 70 Millionen Landsleuten haben mit den Spielern geschlagen. Wir waren ganz nahe dran. Meine Arbeit ist jetzt getan. Den nächsten Schritt müssen andere gehen. Wer auch immer nach mir kommt - ich hoffe, dass er aus dieser Mannschaft einen Champion machen wird", sagte Terim und kündigte damit trotz des bis 2010 laufenden Vertrages seinen Abschied an.

"Ich denke, dass ich wieder in ein europäisches Land gehen werde", fügte Terim hinzu, der seine neu gewonnene Popularität nun offenbar meistbietend "versteigern" will. Es werde zwar noch einige Tage dauern und bedürfe noch Gespräche mit der Verbandsspitze, aber danach "werden Sie von mir hören". Verbandspräsident Hasan Dogan kündigte zwar umgehend an, um Terims Verbleib kämpfen zu wollen, doch er sagte auch: "Wir wissen, dass wir seine Entscheidung respektieren müssen." Als Nachfolger wird Ertugrul Saglam (Besiktas Istanbul) gehandelt.

In der Kabine hatte der Coach, der mit kräftigem Applaus von den heimischen Medienvertretern verabschiedet wurde, seinen Spielern für die starke Vorstellung gedankt: "Ich bin stolz auf diese Leistung. Ich gratuliere Deutschland, aber wir waren besser. Wäre das Spiel in die Verlängerung gegangen, hätten wir bestimmt gewonnen. Aber wir haben leider einfache Tore bekommen."

Unglaublich, welchen Siegeswillen Terim seinen Spielern vermittelt hat. Der Treffer von Semih Sentürk zum 2:2-Zwischenstand im Halbfinale war das fünfte Tor, das die Türken in den Schlussminuten erzielen konnten. Kurios indes, dass sie ausgerechnet in der Partie mit der besten spielerischen und taktischen Leistung von Deutschland mit den eigenen Last-Minute-Waffen geschlagen wurden.

Die deutschen Spieler waren beeindruckt. "Sie haben uns wenig Platz gelassen, wir kamen nicht so gut ins Spiel, aber wir haben unsere wenigen Chancen eben zu drei Toren genutzt", urteilte Bankdrücker Piotr Trochowski. Und auch Per Mertesacker gestand: "Die Türken haben uns alles abverlangt, waren phasenweise sogar viel besser als wir. Diese Erfahrung zu machen, das hilft auch für die Zukunft, deswegen war dieses Spiel für die weitere Karriere wichtig, es mitzunehmen. Wir hätten auch ausscheiden können, aber das ist zum Glück nicht unser Thema."

Wohl aber das der Türken, die aber aus Verlierern schnell zu Siegern wurden. In Istanbul wurde der Mannschaft bei der Rückkehr am Donnerstag ein triumphaler Empfang bereitet. Mehrere hundert Menschen warteten am Flughafen, von dort fuhren die Spieler mit einem Bus zum Taksim-Platz, wo mehr als zehntausend Menschen mit dem Team feierten und den abdankungswilligen Coach aufforderten: "Terim, verlasse uns nicht". Doch den Fußballlehrer zieht es offenbar nach Italien (Neapel), wo er schon zwischen 2000 und 2002 (Florenz, AC Milan) gearbeitet hat. Unglückstorwart Rüstü (35), der beim 2:1 von Klose patzte, erklärte dagegen schon gestern offiziell seinen Rücktritt.

"Die Europameisterschaft ist der schwerste Wettbewerb der Welt. Wir sind traurig, aber wir schauen in die Zukunft", sagte Verbandspräsident Dogan, "ich bin sicher, dass die Türkei in absehbarer Zeit Europa- oder Weltmeister wird." Eine durchaus ehrgeizige Einschätzung, die aber auch Bayern-Profi Hamit Altintop teilte: "Wir sind ein junges und hungriges Team. Wenn wir weiter an uns arbeiten, werden wir bei den nächsten großen Turnieren ganz bestimmt zu den Titelkandidaten gehören."

Die glorreichen Wochen während der EURO sollen nur der Auftakt für große Taten gewesen sein, obwohl Abwehrspieler Gökhan Zan jetzt schon der Überzeugung ist: "Ich bin sicher, dass unser Volk und vielleicht ganz Europa zu uns aufschaut."