Wie Julius Brink und Jonas Reckermann das Unternehmen Beachvolleyball-Gold bis ins Detail planten, ehe sie es erfolgreich abschlossen.

London. Selbst für Olympiasieger gibt es unüberwindbare Grenzen. Nach Monaten der totalen Konzentration, der Entbehrungen und dem finalen Triumph im Sand von London wollten Julius Brink und Jonas Reckermann endlich alle aufgestauten Emotionen herauslassen - und bis drei Uhr nachts gelang das Deutschlands Beachvolleyballstars bestens. "Wir waren mit Freunden und anderen deutschen Athleten in einem Klub, aber der machte dann dicht. Wegen der Sperrstunde", berichtete Reckermann frisch geduscht und mit strubbeligen Haaren am Freitagmorgen. Partyhungrig zogen sie weiter durch die Londoner Nacht, aber kein Türsteher ließ die 30 Mann starke Feiertruppe noch hinein. Geschlafen haben sie trotzdem kaum. Brink kam immerhin auf zwei bis drei Stunden, Reckermann machte durch. Wer braucht schon Schlaf, wenn er Olympiagold hat?

Julius Brink, 30, und Jonas Reckermann, 33, sind seit Donnerstagnacht die ersten europäischen Olympiasieger im Beachvolleyball. Der Centre-Court auf der Horse Guards Parade, dem Exerzierplatz der königlichen Reiterstaffel, wurde zur größten Partyzone der deutschen Fans während dieser Olympischen Spiele. Zu keinem anderen Ereignis kamen in London mehr deutsche Zuschauer, nirgends schallten die "Germany, Germany"-Schlachtrufe kraftvoller. Die Hallenvolleyballmannschaft war ebenso im Stadion wie Gewichtheber Matthias Steiner.

Nach ihrem Weltmeistertitel 2009 und zweimal Europameisterschaftsgold gehören die Beachprofis Brink und Reckermann jetzt endgültig zu den ganz Großen ihres Sports - und zu den schillerndsten deutschen Olympiapersönlichkeiten. Für die beiden war das Finale nicht nur ein Match gegen die Weltmeister Alison Cerutti und Emanuel Rego aus Brasilien, sondern auch ein Kampf mit ihren Emotionen. "Es war ein unglaubliches Spiel - für uns und für den Beachvolleyballsport. Ein Drama mit vielen Höhen und Tiefen", sagt Zweimetermann Reckermann über den Endspielkrimi (23:21, 16:21, 16:14).

Am Ende weinten fast alle. Nur Reckermann schaffte es gerade noch, die Fassung zu wahren. Brink schluchzte bei der Siegerehrung, die beiden Brasilianer danach. Sie hatten dem Olympiagold zwar einige Minuten nachgetrauert, dann aber überwog der Stolz über Silber. "Es ist unglaublich, dass wir das beste Team der vergangenen Jahre besiegt haben", sagt Reckermann.

Der Plan der beiden Ausnahmespieler ist aufgegangen. Der lange Blockspezialist Reckermann und der Abwehrexperte Brink hatten sich zur Saison 2009 zusammengetan, um gemeinsam die Übermacht der Brasilianer und Amerikaner zu beenden. Reckermann war schon 2004 bei den Spielen dabei, jedoch im Achtelfinale gescheitert, Brink 2008 in der Vorrunde. "Ich habe Jonas 2008 gefragt, ob er Lust habe, mit mir ein Team zu bilden. Nicht weil er mein bester Freund werden sollte, sondern weil ich glaubte, dass wir uns zusammen im Sport weiterentwickeln können", sagt Brink.

Sie sind keine Kumpel, die aus Spaß durch die Welt tingeln, ein bisschen an den Traumstränden pritschen und baggern und vor allem das leichte Leben genießen. "Aber wir haben wirklich einen geilen Beruf", sagt Reckermann.

Sie führen ein kleines Unternehmen, sind Profis, die für die Turniere der Weltserie und Trainingslager etwa 100 Tage im Jahr die Kontinente bereisen. Um sich herum haben sie ein perfektes Team mit Trainern, Physiotherapeuten und einem Mentaltrainer aufgebaut. Beachvolleyballduos gehören zu den am professionellsten organisierten Mannschaften. Brink und Reckermann haben nichts dem Zufall überlassen und sind jetzt da, wo sie sich immer hingeträumt haben. Die unterschiedlichen Typen ergänzen sich perfekt.

"Grundsätzlich ist Jonas eher der ruhigere, analytische Typ. Ich bin eher aufbrausend und emotional", sagt Brink. Mal bringt er ein Spiel nach vorn, mal sind Reckermanns Stärken gefragt. "Es ist gut, dass Julius so emotional reagiert, wenn ich gerade zu ruhig bin. Das pusht mich. Und andersherum ist es gut, dass ich einen kühlen Kopf bewahre, wenn Julius ,on fire' ist", sagt Reckermann schmunzelnd. Im Finale steckten sie alle Rückschläge weg.

Wer so oft und so eng wie die beiden aufeinanderhockt und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet, den verbindet eine besondere Beziehung. Nur die Definition des Ganzen ist etwas schwierig. "Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis, aber wenn wir als Team im Sport auf Maximum laufen, ist es schwer, das als Freundschaft zu bezeichnen", sagt Brink. Eine reine Geschäftsbeziehung trifft es aber auch nicht. "Es ist irgendetwas dazwischen" - da sind sie sich einig. Was nicht bedeutet, dass sie nicht auch mal abends bei einem Kölsch zusammensitzen.

Viel Zeit für Privatleben bleibt aber nicht. Die Männer verbringen mehr Zeit miteinander als mit ihren Partnerinnen, die ihnen in London von der Tribüne aus zujubelten. "Ich bin verheiratet - so schlecht kann die Sache also nicht funktioniert haben", sagt Reckermann grinsend. Nach dem sportlichen Glück folgt für ihn im Herbst das private: Er wird zum ersten Mal Vater.