Tommy Haas wird bei seiner Niederlage am Rothenbaum von den Zuschauern gefeiert. Monaco erster argentinischer Sieger seit 2003.

Hamburg. Er hatte sieben Tage lang die Schlagzeilen dominiert und die Menschen begeistert, doch die letzten Szenen einer aufregenden, emotionalen und bisweilen gar geschichtsträchtigen Tenniswoche am Hamburger Rothenbaum gehörten einem anderen. Als Juan Monaco auf seiner Bank am Rand des Centre-Courts saß und Tränen der Freude weinte, blieb Tommy Haas nur die Nebenrolle. Er applaudierte seinem Gegner artig, und wer miterlebt hatte, wie der Argentinier fassungslos vor Glück auf dem Rücken lag, nachdem er am Netz einen leichten Flugball zum 7:5, 6:4-Sieg ins Halbfeld gespielt hatte, der konnte es verschmerzen, dass nicht der Liebling der Massen gewonnen hatte, sondern einer, dem dieser Triumph ähnlich viel bedeutete.

"Es ist definitiv der größte und emotionalste Moment in meiner Karriere", sagte der 28-Jährige, als die Tränen getrocknet waren und er frisch geduscht vor den Medienvertretern saß. Fünf Turniere hatte der Weltranglisten-14. vor seinem Start in Hamburg gewonnen, allesamt Sandplatz-Veranstaltungen der 250er-Kategorie. Für seinen Sieg am Rothenbaum wird Monaco, der als erster Argentinier seit Guillermo Coria 2003 gewann, nicht nur mit 216.650 Euro Preisgeld belohnt, sondern auch mit 500 Weltranglistenpunkten, die ihn erstmals in seiner Karriere in die Top Ten katapultieren. "Das ist ein Traum und bedeutet mir unglaublich viel", sagte Monaco.

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Tommy Haas kann das nachempfinden, er war in seiner besten Zeit vor zehn Jahren die Nummer zwei der Welt, doch was er in den vergangenen Monaten aufgebaut und jetzt in seiner Geburtsstadt veredelt hat, ist ähnlich hoch zu bewerten. Auf Rang 205 war der 34-Jährige in die Saison gestartet, er hatte selbst nach den vielen Jahren mit chronischen Verletzungsproblemen bezweifelt, überhaupt noch einmal ernsthaft Turniere bestreiten zu können. Dank der Finalteilnahme in seiner Geburtsstadt, die ihm 300 Weltranglistenpunkte und 97 635 Euro einbrachte, wird er sich heute unter den besten 35 wiederfinden. "Für mich selbst ist es ein Rätsel, dass ich wieder so konstant auf hohem Niveau spiele", sagte er.

Wer die von Spiel zu Spiel wachsende Euphorie beobachtete, die Haas' Erfolge auslösten, und wer gestern erlebte, wie die 7000 Zuschauer mit lautstarken "Tommy"-Rufen eine Atmosphäre schufen, wie es sie lange nicht gegeben hatte, der konnte verstehen, dass Haas mit der Niederlage besser leben konnte als mit den meisten anderen, die er erlitten hat. Natürlich wäre er gern der erste deutsche Rothenbaum-Sieger seit Michael Stich 1993 gewesen, aber das Gefühl, im Spätherbst seiner Karriere endlich die Anerkennung zu bekommen, die ihm früher oft versagt blieb, ließ den so ehrgeizigen und bisweilen unbeherrschten Wahlamerikaner mild urteilen. "Ich hatte mir eine solche Woche nicht zugetraut. Ich habe zwar das Finale verloren, fühle mich aber trotzdem als Gewinner", sagte er.

Es ist ja auch keine Schande, auf dem von ihm so ungeliebten Untergrund gegen einen der besten Sandplatzspieler der Saison knapp zu unterliegen. Haas war in dem genau 120 Minuten andauernden Finale immer dann gut, wenn er aggressiv spielte und seine Variabilität einsetzte, doch er war unterlegen, wenn er versuchte mit Monaco mitzuspielen. Der Argentinier, der im Halbfinale am Sonnabend den topgesetzten Spanier Nicolas Almagro 3:6, 6:3 und 6:4 niedergekämpft hatte, macht selbst unter Druck kaum Fehler und spielt von der Grundlinie ein schnörkelloses Angriffstennis, das in seiner Genauigkeit bisweilen an ein Schweizer Uhrwerk erinnert. "Er war der bessere Spieler, wenn es darauf ankam", lobte Haas, der sein Halbfinale 7:6 (9:7), 6:0 gegen den Kroaten Marin Cilic gewonnen hatte.

Er werde nun, sagte Haas, bevor er sich zum Ausklang der Woche mit seinem Trainer Christian Groh und seiner Familie traf (siehe Bericht auf dieser Seite), heute nach Los Angeles zurückfliegen und ein wenig ausspannen, bevor nächste Woche in Washington sein nächstes Turnier beginnt. Die in vielen Interviews zum Ausdruck gebrachte Enttäuschung über die Nichtnominierung für die Olympischen Spiele in London hat er einigermaßen überwunden.

Und so ist Tommy Haas in dieser, seiner Woche am Rothenbaum eigentlich nur eins schuldig geblieben. Auf seinen angekündigten Besuch in dem Haus an der Weidenallee 45, wo er die ersten elf Jahre seines Lebens verbrachte, warteten die aktuellen Bewohner vergebens. "Ich hab es leider nicht geschafft. Aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Besuch", sagte er. Wann dieser nächste Besuch stattfindet, ist unklar. Turnierdirektor Stich kündigte an, alles Erdenkliche tun zu wollen, damit Haas 2013, wenn das Turnier vom 15. bis 21. Juli ausgetragen wird, seinen Weg bis zum Ende gehen kann.