Vier Jahre ist Joachim Löw nun Bundestrainer. Nach dem bejubelten WM-Auftritt gibt der 50-Jährige die Richtung noch entschiedener vor.

Brüssel. Bundestrainer Joachim Löw präsentiert sich beim Neuanfang in der EM-Qualifikation so stark wie nie. Er hat sich durch Platz drei und den weltweit bestaunten erfrischenden Offensiv-Fußball der jungen deutschen Spaß-Kicker um Thomas Müller oder Mesut Özil bei der Weltmeisterschaft in Südafrika in eine Position katapultiert, aus der heraus er noch konsequenter seine Ziele und Visionen verfolgen kann - auch ohne bisher einen Titel vorweisen zu können. Das bekommt nicht nur der geschwächte Kapitän Michael Ballack zu spüren, unmissverständlich hat der 50-jährige Löw vor dem Neustart am Freitag in Brüssel gegen Belgien seine uneingeschränkte Chef-Rolle umrissen: „Die Spieler können vielleicht einmal Wünsche äußern, aber keine Bedingungen stellen. Die Bedingungen stelle ich als Trainer.“

Löw gibt nicht nur bei seinen Spielern und auf dem Platz die Marschroute vor. Ob Vertragsverlängerung, Kapitäns-Frage oder das erstrittene Festhalten an dem in der EM- und Olympia-Qualifikation gescheiterten U 21-Auswahltrainer Rainer Adrion gegen Sportdirektor Matthias Sammer – überall diktierte er die Abläufe und Resultate. Löw lässt sich dabei nicht treiben, weder von Funktionären noch von Spielern – und schon gar nicht von der Öffentlichkeit. Die über Wochen „sehr emotional diskutierte Kapitänsfrage“ ließ er solange unbeantwortet, wie es in seinen Plan passte. „Ich habe mir die Zeit genommen“, erklärte er an dem Tag, als er den Schleier lüftete. Nach der WM und seiner Verlängerung als Bundestrainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) bis 2012 tauchte Löw ab, um „etwas Abstand“ zu finden: „Ich habe den Anker geworfen. Ich hatte auch Schwierigkeiten, die WM emotional zu verarbeiten. Ich wollte mir in allen Dingen in aller Ruhe Gedanken machen“, begründete er.

Löws Masterplan hat nach Platz zwei bei der EM 2008 und Bronze in Südafrika nur ein Ziel – er will sich in die Reihe der Beckenbauer & Co. einreihen, die ihre Trainer-Ära mit einem Titel krönten. Aber bis zur nächsten Chance 2012 in Polen und der Ukraine ist es ein langer Weg. „Eine Qualifikation ist etwas ganz anderes als ein Turnier“, betonte Löw: „Bei einem Turnier ist eine Mannschaft einige Wochen zusammen und hat einige Spiele in Folge. Eine Qualifikation ist dagegen ein Marathon.“ Auch deswegen lässt er sich beim 98-maligen Nationalspieler Ballack alle Optionen offen, ebenso handelt er beim „Luxus-Thema“ Torhüter. Hinter Manuel Neuer ernannte er René Adler und Tim Wiese zur „gemeinsamen Nummer 2“ auf dem Weg zur EURO: „Wir wollen uns da nicht auf eine absolute Reihenfolge festlegen.“ Denn aus leidvoller Erfahrung weiß der Bundestrainer selbst am besten, wie schnelllebig der Fußball ist: „In der Qualifikation braucht man einen größeren Kader, weil sich Spieler in den Vereinen auch mal verletzen.“

Keiner weiß, ob der bald 34-jährige Ballack in Leverkusen nach seiner schweren Fußverletzung wieder in die von Löw geforderte „Topform“ kommt. Setzt sich Sami Khedira bei Real Madrid durch? Und kommt Neuer verletzungs- und fehlerfrei mit Schalke durch Champions League und Bundesliga? Löw selbst sagte: „In einer Qualifikation gibt es mehr Veränderungen als bei einem Turnier.“ Das Rampenlicht der WM, das auch Löw genoss und ihn endgültig zum Trainer-Star gemacht hat, ist erloschen. Nach Glanzvorstellungen wie gegen England und Argentinien muss sich nun auch Löw wieder gegen kleine Gegner wie Aserbaidschan oder Kasachstan behaupten. „Daher ist es wichtig, die Konzentration wieder auf den Alltag zu richten.“