Der Vorjahreszweite aus Plau am See siegt überraschend im Stechen gegen Thomas Kleis.

Hamburg. Andre Thieme war nicht zu stoppen. Als nach einer ermüdenden 30-minütigen Siegerehrung beim 78. Deutschen Springderby in Klein Flottbek endlich zur Ehrenrunde gebeten wurde, drehte der 32 Jahre alte Reiter aus Plau am See auf seinem treuen Wallach Nacorde gleich vier davon. Immer wieder galoppierte er an den begeisterten Zuschauern (25 000 sorgten für ein voll besetztes Reiterstadion, insgesamt 56 500 bedeuten einen neuen Derbyrekord) und ließ sich feiern.

Der dreimalige Europameister Paul Schockemöhle, seit sieben Jahren Derby-Sportchef in Hamburg, schaute zu und sagte: "Jetzt heißt es nicht mehr Holsteiner, sondern Mecklenburger gegen den Rest der Welt." Und Andre Thieme fügte scherzhaft hinzu: "Jetzt ist der Osten nicht mehr aufzuhalten." Thomas Kleis aus Gadebusch hatte mit Zetor dafür gesorgt, dass es zu einem Doppelsieg für Mecklenburg/Vorpommern kam.

Andre Thieme, trotz seines zweiten Platzes mit Nacorde im Vorjahr immer noch als Außenseiter gehandelt, kommt aus einer Reitsportfamilie. Sein Vater Michael ist Dressurtrainer auf dem Landesgestüt in Redefin. Der junge Andre sollte in seine Fußstapfen treten. Erst als er mit 19 Jahren das Goldene Reiterabzeichen erhalten hatte, durfte er das Lager wechseln.

"Vor sechs Jahren habe ich die Fernsehübertragung vom Derby gesehen", sagte der strahlende Derbysieger. "Da entstand mein Traum: Einmal willst du dabei sein." Dabei hatte es lange Zeit Aufregung um Nacorde gegeben. Der Wallach litt 14 Tage lang unter einer Hufsohlenprellung und konnte bei Matthias Granzow in Passin die dort aufgestellten Naturhindernisse nicht trainieren. "Deshalb hatte ich mir für Hamburg nichts ausgerechnet", so Thieme. "Der Wallach hat sich aber in den Qualifikationen gesteigert, und am Sonntag morgen hatte ich ein wahnsinnig gutes Gefühl."

Andre Thieme auf Platz eins, Thomas Kleis auf Platz zwei, der in Mecklenburg angestellte Brite Richard Robinson mit Olli-Pop auf Platz drei, Felix Stüvel mit Mr. Hop Sing Sechster, Matthias Granzow mit Antik Zwölfter: Der Triumph der Reiter aus den neuen Bundesländern war perfekt.

Dagegen endete Toni Haßmanns Traum vom vierten Derbysieg in Folge schon um 15.03 Uhr. In dieser Minute machte der 13 Jahre alte Wallach Collin einen Fehler, der ihn in der Endabrechnung auf Platz sieben zurückwerfen sollte. Gerade noch hatten die Fans gejubelt, als Collin scheinbar mühelos den Großen Wall hinuntergerutscht war und auch die einen Galoppsprung dahinter aufgestellte Bretterplanke bewältigt hatte. Aber wenige Sprünge dahinter fiel am Trakehner Graben eine Stange. "Es war mein Fehler, das nehme ich auf meine Kappe", sagte Haßmann und ritt mit gesenktem Kopf zum Ausgang.

Ähnlich reagierte auch Ludger Beerbaum (Riesenbeck), der 2003 mit seinem Toppferd Champion Du Lys dominiert hatte. Nachdem dieser nunmehr seine lange Laufbahn beendet hat, will der Ex-Olympiasieger den zehnjährigen Wallach Enorm zu einem Derbyexperten aufbauen. Nach einem Abwurf wurde er nur Neunter.

Noch schlimmer erwischte es Carsten-Otto Nagel (Wedel), der bei den Experten nach seinen Siegen in den beiden Derby-Qualifikationen als Mitfavorit gehandelt worden war. Sein Wallach Calle Cool, sonst ein Muster an Zuverlässigkeit, wollte einfach nicht vom Großen Wall herunter. Seine Eskapaden wurden als zwei Verweigerungen gewertet, Nagel schied aus.