VERZICHT: Der US-Amerikaner mied erneut den Rothenbaum.

Das Fax traf um 23.16 Uhr in der Nacht zum Montag beim Deutschen Tennisbund (DTB) ein. Der Absender: Andre Agassi. "Es tut mir Leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich vom Masters-Series-Turnier in Hamburg zurückziehe. Nachdem ich in Rom mein erstes Masters-Turnier auf Sand gewonnen habe, möchte ich meinen Terminplan für das laufende Jahr umstellen", ließ der 32 Jahre alte US-Amerikaner mitteilen. Die kurze Nachricht bleibt nicht ohne Folgen. Das Hamburger Turnier wird für Agassi mit null Punkten für die Weltrangliste gewertet, zudem muss er 40 000 Dollar Strafe zahlen, weil er als an Nummer neun gesetzter Spieler erst nach der Auslosung absagte. Für Andre Agassi rückte der Brasilianer Fernando Meligeni als bestplatzierter Lucky Loser der Qualifikation ins Hauptfeld. Über die wahren Gründe mag spekuliert werden, doch der Verzicht Agassis kam nicht überraschend. Es ist das vierte Mal, dass er kurzfristig seine Teilnahme stornierte. Ohnehin haben die führenden US-Tennisprofis den Rothenbaum stets zu meiden versucht. Früher war es ihnen hier zu nass und zu kalt, jetzt wollen sie mit Rom und Hamburg nicht zwei hochkarätige Veranstaltungen nacheinander spielen. Ob Agassi überhaupt plante, dieses Jahr in Deutschland anzutreten, darf deshalb bezweifelt werden. Nach dem gemeinsamen Einzug ins Finale von Rom hatte Thomas Haas am Sonnabend bei Agassi anfragen lassen, ob man sich nach dem Endspiel am Sonntagabend einen Privatjet teilen könne, weil es der einzige Weg sei, noch am selben Tag nach Hamburg zu kommen. Agassi sagte ab. Er wollte lieber am nächsten Tag über Frankfurt fliegen, weil er dort seine Frau Steffi Graf und Sohn Jaden Gil zu treffen plante. Möglicher Hintergrund der Täuschung: Es soll Entführungsdrohungen gegen die junge Familie gegeben haben. Agassis Absage schadet dem Turnier zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Auch wenn Turnierdirektor Walter Knapper zu Recht auf die weiterhin erstklassige Besetzung verweist, es sind die Superstars, die eine Sportart einer breiten Öffentlichkeit erschließen. Und diese zeigte in der jüngeren Vergangenheit immer weniger Interesse am Tennis. Die Folge bekommt der Rothenbaum nach der Pleite der Schweizer Agentur ISL nachhaltig zu spüren: Sponsoren und Fernsehen ziehen sich zurück. Erstmals wird das Turnier keinen Gewinn abwerfen, 2003 droht es gar abgesetzt zu werden, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht bessern. Wichtigste Voraussetzung für den Erhalt des Events bleibt für den neuen alten Vermarkter IMG die TV-Situation. Die derzeitigen Übertragungen im Pay-TV grenzen die Verkaufsmöglichkeiten stark ein. Dem frei empfangbaren Fernsehen wiederum sind die momentanen Einschaltquoten zu schlecht. Es ist zudem die Reaktion der Anstalten auf die teilweise maßlosen Honorar-Forderungen des DTB zu Zeiten Beckers, Stichs und Grafs. "Der Verband hat in der Vergangenheit Fehler gemacht, jetzt müssen wir uns alle um ein tragfähiges Konzept für die Zukunft bemühen", sagte DTB-Präsident Georg von Waldenfels. Die Organisatoren der fünf wichtigsten deutschen Herren-Turniere haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt. Im engen Kontakt mit den deutschen Spitzenspielern wollen sie ihre Interessen künftig gebündelt vertreten, um gemeinsam mehr erreichen zu können.