Der türkische Rekordmeister rüstet sich mit viel Geld und hochkarätigen Stars für eine international glorreiche Zukunft - Trainer Korkmaz will Hamburg aber nicht unterschätzen. Das erwartet den HSV in den Duellen gegen Galatasaray.

Istanbul. Arda ist begeistert, als der Taxifahrer hört, dass sein Fahrgast aus Hamburg kommt. Er lässt erstmals seine Hupe für ein paar Sekunden unbenutzt, reißt die Arme hoch und sagt im gebrochenen Englisch: "Hamburg gut, Galatasaray better." Doch die Freude währt nur für einen kurzen Moment, schnell hat Arda seine Hände wieder am Lenkrad und macht das, wofür er bezahlt wird: Unentwegt hupen. Und während sich der passionierte Galatasaray-Fan wieder mehr oder weniger auf den zähen Istanbuler Verkehr konzentriert, zählt er die Spieler auf, die seiner Meinung nach am Donnerstag dem HSV eine deutliche Niederlage im Hinrundenspiel des Uefa-Cup-Achtelfinals beifügen werden.

Nach 45 Minuten Dauerhupen und -reden ist das Fahrziel erreicht. Doch vor Galatasarays hochmoderner Trainingsanlage Florya Metin Uktay Tesisleri geben sich die Wachleute nicht ganz so begeistert wie Taxifahrer Arda, als sie hören, dass der Besucher extra aus Hamburg angereist ist. Das Training sei heute hinter verschlossenen Türen - Fans und Journalisten sind unerwünscht. Erst als Arda auf türkisch interveniert, lässt sich Wachmann Sherif erweichen und führt den Besucher über das 80 Hektar große Gelände. Stolz zeigt er am Eingang auf das große Plakat der Mannschaft, die 2000 den europäischen Supercup gewann, und präsentiert auf dem anschließenden Rundgang die liebevoll gepflegten Fußballplätze (2 Kunstrasenfelder und 4 Naturrasenplätze), die Basketballhalle, das Redaktionsgebäude des vereinseigenen Fernsehsender Galatasaray TV und das Fußballinternat, wo Trainer Bülent Korkmaz mit der Mannschaft gerade die HSV- Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach auf Video analysiert.

"Der HSV hat eine starke Mannschaft", sagt Korkmaz, der sich nicht durch das verkorkste Spiel gegen Mönchengladbach, das er persönlich im Borussia-Park verfolgte, täuschen lassen will. "Aber natürlich wollen wir in Hamburg den Grundstein für das Erreichen des Viertelfinals legen", erklärt der in Castrop-Rauxel geborene Mittelfeldmann Baris Ozbek (22), später bei einem Treffen im nahe gelegenen Einkaufszentrum Flyin.

Auf dem Rundgang wird schnell deutlich, was Arda auf der Hinfahrt bereits in einem Mischmasch aus Englisch, Deutsch und Türkisch andeutete: Kaum ein Klub in der Türkei verfügt über derart professionelle Strukturen, wie Galatasaray, dass knapp 15 000 Mitglieder und 300 Fanklubs weltweit hat. So soll am 29. Oktober diesen Jahres auch die neue Türk Telekom Arena eingeweiht werden, die das altehrwürdige Ali Sami Yen Stadion ablösen soll. Statt 23 785 werden dann 52 000 Zuschauer die Heimspiele der Aslanar (Löwen) besuchen können. Eigentümer der neuen 170-Mllionen-Dollar-Arena ist die staatliche Behörde Ginclik ve Spor Genel Müdürlügü, die Galatasaray das Pachtrecht für die kommenden 49 Jahre verkaufte. Möglich wurde der kostspielige Deal durch Sponsor Türk Telekom, die das Namensrecht des Stadions für die kommenden 10 Jahre für jährlich 10 Millionen Dollar erwarb.

In diesem Zeitraum soll der erfolgreichste Klub der Türkei, bei dem der 74-jährige Karl- Heinz Feldkamp als Sportdirektor im Hintergrund die Fäden zieht, nach 17 Meistertiteln und 14 Pokalerfolgen endlich auch international für Furore sorgen. Zwar ist Galatasaray der einzige türkische Klub, der 2000 den Uefa-Pokal gewinnen konnte, aber Fans und Medien gieren längst nach mehr. So wurde die teuerste Mannschaft der Klubgeschichte (Etat: 75 Millionen Euro) vergangenen Sommer noch mal zusätzlich durch die kostspieligen Topstars Fernando Meira (VfB Stuttgart), Harry Kewell (FC Liverpool) und Milan Baros (Olympique Lyon) verstärkt. "Durch die Verpflichtungen und das neue Stadion wird Galatasaray auch international viel stärker wahrgenommen", sagt Hürriyet-Sportchef Esat Yilmaer, der sich auf dem hart umkämpften türkischen Medienmarkt mit 20 weiteren Zeitungen, darunter drei täglichen Sportzeitungen, um jede noch so kleine Nachricht der Rot-Gelben duelliert. Nach Hamburg schickt das Massenblatt Hürriyet gleich sieben Journalisten.

In Istanbul ist Fußball eben mehr als nur eine Leidenschaft - es ist eine Art Glaubenbekenntnis. "Bei uns sagt man, dass man seine Arbeit, seine Partei und seine Religion wechseln kann, nie aber seinen Fußballverein", sagt Yilmaer, der auch selbst Galatasaray die Daumen drückt. Istanbuls Anhänger haben die Wahl zwischen Fenerbahce, Besiktas und eben Galatasaray. Während im europäischen Teil Istanbuls mehrheitlich die Herzen für "Gala" und Besiktas schlagen, wird im asiatischen Teil "Fener" die Daumen gedrückt. Die Zeiten, in denen die drei Istanbuler Klubs die Meisterschaften unter sich ausmachten, sind allerdings seit knapp zwei Jahren vorbei. Längst haben die anatolischen Vereine aufgeholt, allen voran Tabellenführer Sivasspor und Trabzonspor.

Für Taxifahrer Arda ist das allerdings nur ein momentanes Phänomen. Er glaubt, dass Galatasaray schneller als so manch kritischer Journalist denken mag, auch die Turkcell Süper Lig wieder dominieren wird. Das würde der HSV bereits am Donnerstag zu spüren bekommen, sagt er und hupt noch mal freundlich zum Abschied.


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