Dresden: Zwischen Striezelmarkt und Szene-Treffs. Hamburgs Partnerstadt in Sachsen hat viel zu bieten - und das nicht nur in der Weihnachtszeit.

Wenn am 24. November der älteste Weihnachtsmarkt Deutschlands auf dem Dresdner Altmarkt zum 571. Mal eröffnet, werden in nur vier Wochen rund zweieinhalb Millionen Besucher in die Stadt an der Elbe strömen. Sie alle wollen das Weihnachtswunder erleben: 240 Buden mit Schnitzkunst aus dem Erzgebirge, gebrannte Mandeln und süßes Gebäck, einen zwei Meter langen und vier Tonnen schweren Riesenstollen, der beim Festumzug durch die Altstadt getragen wird, sowie 21 Chöre und 1600 Künstler, welche die Adventszeit versüßen sollen.

Dabei gehörte Dresden nie zu den ganz Großen. Doch die Landeshauptstadt hatte immer etwas Magisches an sich. Es ist ein Ort der starken Gefühle: Die Schönheit der Barockbauten und die immer noch klaffenden Wunden des Zweiten Weltkrieges, die glitzernde Kunstsammlung von Kurfürst August dem Starken im weltberühmten "Grünen Gewölbe" und die riesigen Plattenbauviertel aus DDR-Zeiten. Dresden bewegt - wenn es sein muß, die ganze Republik. Hätte die Stadt es nicht geschafft, große Emotionen und noch größere Spenden zu mobilisieren, dann wäre das Wunder der aus einem schwarz verkohlten Trümmerhaufen auferstandenen Frauenkirche wahrscheinlich nie Wirklichkeit geworden.

Aber nicht nur das. Dresden ist auch Moderne. Infineon läßt hier seine Halbleiter anfertigen. Der amerikanische Chiphersteller AMD eröffnete vor wenigen Wochen bereits sein zweites Werk - "Silicon Saxony" ist der inzwischen größte Mikroelektronikstandort Europas. Selbstbewußt feiert Dresden nächstes Jahr sein 800-jähriges Jubiläum.

Zum Auftakt hat im Januar der "Semper-Opernball" nach 67 Jahren Pause seine Premiere. Im Sommer ist der Platz um die Frauenkirche fertig. Der durch den Krieg zerbombte Neumarkt wird wieder ein lebendiges Viertel mit kleinen Gassen, vielen Cafes, Hotels und Geschäften.

Nördlich der Elbe, gegenüber der barocken Altstadt, gibt es ein solches Viertel schon - die Neustadt. Dort reihen sich in nur wenigen Straßenzügen 130 Bars, Kneipen, und Restaurants dicht an dicht. Musiker, Studenten, und Künstler wohnen in dem Stadtteil mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Doch die meisten Pauschaltouristen finden nie dorthin. Nach Semperoper und Zwinger ist für viele Schluß.

Zu DDR-Zeiten hätte wohl niemand damit gerechnet, daß das einst völlig runtergekommene Gründerzeitviertel sich irgendwann einmal mit bunten Läden in schicken Häusern präsentieren würde. Der 300 Jahre alte Stadtteil erhielt seinen Namen nach einem Brand im Jahr 1685. Nachdem damals fast alles vollständig zerstört wurde, baute man schnell eine Neu-Stadt auf. Im Zweiten Weltkrieg von der Zerbombung kaum betroffen, blieben die historischen Bauten in ihrer alten Pracht erhalten. Doch die kleinen dreigeschossigen Häuser wurden von der DDR stiefmütterlich behandelt: Von den Schmuckfassaden blätterte jahrzehntelang der Putz. Kaum eine der Wohnungen verfügte über ein Bad. Das Klo befand sich auf halber Treppe, und geheizt wurde mit Kohle. Viele Wohnungen standen leer. Kurz vor der Wende gab es Pläne, die ein Quadratkilometer große Fläche abzureißen und mit Plattenbauten zu pflastern. Zum Glück kam es anders. Mit dem Fall der Mauer eröffneten an jeder Ecke illegale Kneipen, und das Feiern wurde zur obersten Pflicht eines jeden Neustädters erklärt.

Wer diesem Prinzip folgt, fängt einen Tag in der Neustadt am besten langsam an. Frühstücksfetischisten weltweit ist das "Raskolnikoff" ein Begriff. In der Sandfußboden-Bar bleibt man bei Milchkaffee und frischen Brötchen mit Avocadocreme schnell bis zum Mittag hängen. Sonne tanken und Frischluft schnappen kann man danach im weitläufigen Alaunpark. Kicken (und um die Hundehaufen drumherum dribbeln) ist dort angesagt. Die ganz Eifrigen ziehen die Joggingschuhe an und sprinten durch die Dresdner Heide, die sich hinter dem Park anschließt. In ihrer Ausdehnung ist sie so groß wie die Stadt und macht Dresden zu einer der grünsten Metropolen Europas.

Zur Stärkung bummelt der Neustädter anschließend durch die Alaunstraße, die zentrale Flaniermeile des Viertels. Neben Dönerbuden und vietnamesischen Obsthändlern tummeln sich dort zwölf Bäcker und Fleischer. Dieser Luxus war früher noch weitaus stärker ausgeprägt: Vor dem Krieg wurden hier Schokolade und Zigarren fabriziert.

Das berühmte Radeberger Pils gibt es hingegen im "Hebeda's". Wo früher der brave Bürger bei Sülze und Bratkartoffeln sein Bierchen kippte, prallen heute spießiges Mobiliar und schrille Einrichtungsaccessoires aus den 70er Jahren zusammen.

Zum Abschluß der Nacht ist ein Elbe-Spaziergang die Krönung. Der Anblick der angestrahlten Altstadt-Silhouette läßt Romantiker-Herzen vor Freude hüpfen, während die Elbwiesen ein Mekka für Naturfreunde sind. Dort brüten noch die Enten und schwirren Fledermäuse blitzschnell durch die Luft.

Wer sich dann schlafen legt und am nächsten Tag glaubt, alles wäre nur ein Traum gewesen, der geht über eine der vielen Brücken zurück auf die andere Seite der Elbe. Dort, hoch oben von der wiedereröffneten Kuppel der Frauenkirche, erstreckt sich das von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärte Elbtal mit seinen Schlössern, Villen und Weinbergen. Und vielleicht ist dieser Anblick der Grund, warum die Dresdner ihre Stadt so lieben: Er erzeugt das Gefühl, in der schönsten Stadt der Welt zu leben.