Buckow: Kneippen ist wieder Trend. In der Märkischen Schweiz gibt's am Schermützelsee von Kindesbeinen an kalte Güsse.

Kichern, kreischen, toben: Kleinkinder werden im brandenburgischen Buckow, 60 Kilometer östlich von Berlin, zu Wasser gelassen. Immer nach dem Mittagessen. Erschöpft vom Waten, Planschen und Spritzen gleiten sie dann zur Mittagsruhe in tiefen Schlaf. Die Buckower Kindertagesstätte schlägt mit dieser Methode alle Rekorde in puncto Gesundheitsvorsorge. Die kneippenden Jüngsten sind viel seltener krank, Erkältungskrankheiten sind nahezu unbekannt. Die Kindergärtnerin lacht: "Das kalte Wasser härtet ab."

Pfarrer Kneipp selig dürfte begeistert sein: Seine Heilslehre macht wieder Furore. Buckow in der Märkischen Schweiz ist jüngster Kneippkurort Deutschlands. Das ist den Kleinen schnuppe: Sie steigen in ihr Wasserbecken und ahmen den gestelzten Gang ihrer Erzieherin nach. So, wie es Sebastian Kneipp Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Allgäuer Heimatort Wörishofen erkannte: "Wasser ist für den Menschen ein vorzügliches Mittel, seine Gesundheit und Kraft zu erhalten."

Hier wird eine Generation herangezogen, die auf Pillen pfeifen und Wellness-Tempel nur zur Belustigung aufsuchen soll. Dagegen werden die Kinder nie die pastoralen Ratschläge zum Umgang mit kaltem Wasser und zur Abhärtung vergessen. Und werden Schuhe und Strümpfe abstreifen, Hosen hochkrempeln und eine halbe Minute durch einen Bach oder Tümpel waten. "Wie der Storch", zeigt sich ein Dreikäsehoch altklug.

Die Wirkung kalter Güsse? Nach dem Schreck schießt Energie im Körper auf, breitet sich fast berauschend aus und führt zu wohliger Entspannung. Kneippguß ist kurz, aufmunternd und wirkt nach beim anschließenden Spaziergang. Wassergang und Fußmarsch sind nahezu überall möglich und bringen Spaß.

Und das in Buckow wohl noch ein bißchen mehr als anderswo, denn das Städtchen ist eine Idylle. Hübsche Häuser und spätklassizistische Villen auf Hügeln. Kopfsteinpflaster, Bäume und Obstwiesen wie in alten Zeiten. Der Markt zeigt sich altdeutsch mit leise plätscherndem Brunnen und überhängender Weide. Eingefaßt ist die "Perle der Märkischen Schweiz" von Wäldern, vom Schermützelsee mit Trampelpfaden und Schilfdickicht, dazu eine Luft "wie Samt". Preußens Könige liebten den Flecken, auch Bismarck, Heinz Rühmann, Egon Erwin Kisch, Kurt Tucholsky, Lord Rolf Dahrendorf, der hier aufwuchs, Bertolt Brecht und Wolf Biermann.

Brecht hat den Ort in seinen "Buckower Elegien" literarisch verewigt. Nachdem er mit seiner Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, aus dem US-Exil zurückgekehrt und sich Ost-Berlin als neue Heimstatt ausgeguckt hatte, wurde ihm und der "Mutter Courage" die "Eiserne Villa" angeboten - direkt am Schermützelsee gelegen. Seine späten Jahre bis zum Tod 1956 verbrachte er fast ausschließlich in Buckow. Dort überließ er die Villa seiner Helene und verschanzte sich mit Schäferhund im Bootshaus. Davon erzählt sein Vers: "Das kleine Haus unter Bäumen am See/ Vom Dach steigt Rauch/ Fehlte er/ Wie trostlos dann wären/ Haus, Bäume und See." Villa und Bootshaus sind jetzt Museum.

Buckow liegt im Naturschutzpark Märkische Schweiz, den die letzte Eiszeit als anmutig gestaltete Endmoränen-Landschaft zurückließ. Schluchten und "Kehlen", teilweise mit starkem Gefälle, prägen das Bild des Buckower Kessels - eine verwunschene Märchenlandschaft. Fontane bekannte: Bei bloßer Nennung des Namens Buckow stiegen sogleich "freundliche Landschaftsbilder" vor ihm auf. Der preußische Baumeister Schinkel errichtete hier seinen Majestäten gar ein Schloß. Den Schloßpark gibt es noch, das kriegsgeschädigte Schloß wurde 1948 abgerissen. An seiner Stelle befindet sich nun, gespeist von einem Bach, das Wassertret- Becken.

Als Sebastian Kneipp 28 Jahre war, packte ihn die Lungenschwindsucht. Aber der Theologiestudent wollte leben. Täglich stieg er in die Donau. Er lebte noch 48 Jahre bei robuster Gesundheit und wurde nach seinem Tod 1897 vom Papst als "Wohltäter der Menschheit" gewürdigt. Die Anhänger seiner Wasserheilkunde gehen heute weltweit in die Millionen. Er konnte derb werden, wenn er belächelt wurde: "Fressen und saufen wollen sie alle, aber sterben will keiner."