Schleswig-Holstein will als bisher einziges Bundesland gegen das Schuldenverbot im Grundgesetz klagen. Die CDU-Regierung war dagegen.

Kiel. Schleswig-Holstein will gegen das Schuldenverbot im Grundgesetz klagen. Das beschloss der Kieler Landtag gestern und bescherte der CDU-Minderheitsregierung damit gut eine Woche vor der Landtagswahl eine herbe Niederlage.

SPD, FDP, Grüne, SSW und Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU) stimmten in der letzten Sitzung dieses Landtags für die Klage, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und der Rest der CDU dagegen.

Die neue Regelung im Grundgesetz verpflichtet alle Bundesländer, ihre Neuverschuldung bis 2020 auf null zu senken. Dieser Eingriff des Bundes in das Haushaltsrecht des Landtags ist nach Einschätzung aller Fraktionen verfassungswidrig. Die CDU lehnte den Gang zum Bundesverfassungsgericht gleichwohl ab, weil sie um die Hilfsgelder des Bundes in Höhe von 720 Millionen Euro fürchtet.

CDU-Fraktionschef Johann Wadephul rechnete in der Debatte mit allen Fraktionen ab, auch mit Wunschkoalitionspartner FDP. Die Partei trete als "Steigbügelhalter der SPD" auf. "Es tut ihnen nicht gut, zwischen den Fronten zu schwanken." FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki kartete zurück. Die CDU wolle nur nicht gegen den Bund klagen, weil Kanzlerin Angela Merkel davon "not amused" sei.

Carstensen blätterte derweil in seiner Unterschriftsmappe und musste sich mit einem Achtungserfolg begnügen. Ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen stimmte für einen Schulden-Stopp in der Landesverfassung, konnte das aber nicht durchsetzen, weil SPD und SSW sich enthielten und so die nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt wurde.

Carstensen biss die Zähne zusammen, der neue Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) schmunzelte. Eine halbe Stunde später war es genau andersherum. Carstensen hörte erfreut zu, wie Tobias Koch (CDU) den SPD-Chef für die Krise der HSH Nordbank mitverantwortlich machte. Stegner, der von 2003 bis 2008 in HSH-Gremien saß, hörte nur mit einem Ohr zu, telefonierte ausgiebig. Für den Obergenossen sprang Jürgen Weber (SPD) in die Bresche. Er wies die Vorwürfe als "dummdreist" zurück.

Einig waren sich alle Fraktionen, dass sie die HSH-Krise nach der Wahl in einem neuen Untersuchungsausschuss weiter aufklären wollen. Carstensen und Stegner, die im Plenarsaal keine sechs Meter voneinander entfernt sitzen, nickten fast im Gleichtakt, zeigten sich aber sonst die kalte Schulter. Die Spitzenpolitiker schafften es nicht einmal, sich vor der Landtagssitzung wie üblich per Handschlag zu begrüßen.

Trotz Wahlkampf brachte die im Juli zerbrochene Große Koalition ein Projekt noch in trockene Tücher. CDU, SPD und SSW beerdigten die Direktwahl der Landräte. Die Verwaltungschefs der Kreise werden künftig wieder von den Kreistagen gewählt.