In einem weltweit einmaligen Vorhaben koordiniert Prof. Norbert Jürgens den Einsatz der 340 Mitarbeiter von Biota Africa. Ziel: eine naturerhaltende und -schonende Landwirtschaft in Afrika.

Dunkle Regenwolken ziehen am Himmel über Rehovoth auf, eineinhalb Stunden südwestlich von Namibias Hauptstadt Windhoek. Doch nicht ihnen gilt die Aufmerksamkeit der Besucher. Sie blicken an einem schlichten Weidezaun entlang und stellen verwundert fest: links wachsen Gräser, bedecken Zwergsträucher den dunklen Boden; rechts sprießen nur vereinzelt Gräser und Sträucher aus einem hellbraunen Boden. "Diesen Unterschied haben wir zunächst auf einem Satellitenfoto aus dem All entdeckt. Nachdem wir das Gebiet identifiziert hatten, haben wir 2004 hier zwei Observatorien eingerichtet. Seitdem erfassen wir, wie sich die Pflanzen, die Tiere und der Boden verändern", erzählt Professor Norbert Jürgens von der Uni Hamburg seinen Gästen aus Wissenschaft und Wirtschaft, die Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) auf ihrer Reise durch Südafrika und Namibia begleiten.

Die dramatischen Unterschiede entlang dem Weidezaun, so erfahren die Besucher, basieren nicht auf dem Starkregen, der Namibia am Tag zuvor zum ersten Mal nach 18 Monaten beglückte; sie basieren vielmehr auf den Entscheidungen, die die Farmer vor 30 Jahren getroffen haben. Während auf der Farm Narais Rinder grasten und Ruhezeiten eingehalten wurden, lebten auf der Farm Duruchaus große Ziegen- und Schafherden. "Mit ihren kleinen Hufen zerstörten sie die Vegetationsdecke", erläutert Jürgens. Der Hamburger Botaniker, den die Uni-Präsidentin Auweter-Kurtz für zwei Forschungssemester von der Lehre freigestellt hat, koordiniert seit 2000 neben seiner Tätigkeit am Biozentrum in Klein Flottbek die Arbeit des weltweit einzigartigen Forschungsprojekts Biota Africa. Die 340 Mitarbeiter, die aus 70 deutschen und afrikanischen Institutionen kommen und in Afrika die biologische Vielfalt und die Möglichkeiten einer nachhaltigen Nutzung erforschen, haben ihn als Koordinator gewählt. Kein Wunder, denn es ist seiner Kreativität und Hartnäckigkeit zu verdanken, dass dieses Großprojekt, in dem Botaniker, Zoologen, Bodenkundler, Mikrobiologen, Meteorologen, Ethnologen, Sprachwissenschaftler und Ökonomen zusammen wirken, überhaupt in Angriff genommen werden konnte.

Bereits seit 27 Jahren misst Jürgens die Veränderungen von Pflanzen in Südafrika. 1980 reiste der Hamburger als Biologiestudent ins Richtersveld im äußersten Nordwesten Südafrikas. Aus einer Laune heraus bestimmte er auf einer etwa einen Quadratkilometer großen Fläche die Pflanzen. "Ich zählte 360 Arten, die trotz 50 Grad Celsius im Schatten und nur 78 Millimeter Niederschlag im Jahr dort gedeihen. Es war, als ob ich Leben auf einem anderen Planeten beobachtete. Das wollte ich verstehen", erzählt Jürgens am Rande der Delegationsreise. Seitdem reiste er jedes Jahr in dieses Gebiet, freundete sich mit den dort lebenden Hirten an. Eine Freundschaft mit Folgen. 1989 bat ihn eine Anti-Apartheids-Organisation um Hilfe. Die Regierung wollte die Hirten vertreiben, um mit einem Nationalpark das Gebiet touristisch zu erschließen. Um die Vertreibung zu verhindern, wollte die Organisation klagen. Gefragt, ob er vor Gericht etwas zur Bedeutung der Hirten aussagen könne, nahm Jürgens seine Daten, reiste nach Südafrika. Sie siegten. Am 16. August 1991 eröffnete der erste Nationalpark, der den Bewohnern gehört und in dem sie ihr arbeiten können. "Das war beispielhaft für weitere Nationalparks", so Jürgens.

Auch Biota Africa ist vorbildlich. Das Projekt ist ein weltweit einzigartiges Beobachtungsnetzwerk für Biodiversität. "Wir haben 80 Observatorien von Quadratkilometergröße, in denen nach standardisierten Methoden Pflanzen und Tiere, Bodenfruchtbarkeit, Mikroklima und Wetter gemessen werden. Sie stehen in Südafrika, Namibia, Marokko, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Benin, Kenia, Uganda und dem Kongo. Damit haben wir ein System geschaffen, das dem globalen Netzwerk von Wetterstationen entspricht, das vor gut 100 Jahren aufgebaut wurde. Wie diese erlauben die Observatorien Messungen mit bisher unerreichter Genauigkeit, um die Prognosen für zukünftige Entwicklungen auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen", erläutert Jürgens, während am Himmel die dunklen Wolken zunehmen.

Diese Arbeit ist, wie Jürgens auf der Busfahrt über Schotterstraßen zuvor erläutert hat, auch dringend nötig. Denn die biologische Vielfalt im südlichen Afrika ist durch den Klimawandel, wie die Modelle Hamburger Meteorologen zeigen, hochgradig gefährdet. "Zudem kommt die Nutzung durch den Menschen, mit teilweise fatalen Folgen", sagt Jürgens und weist auf schöne grüne Flächen in der eher kargen Landschaft hin. "Das sind Honigakazien. Wo sie wachsen, ist kein Durchkommen, da sie fiese Stacheln haben, und eigentlich gehören sie hier gar nicht hin. Doch die großen Rinderherden, die es im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Namibia gab, zerstörten die Grassavanne." Zugleich entziehen die tief wurzelnden Akazien dem Boden so viel Wasser, dass der Grundwasserspiegel immer weiter absinkt. "Entfernt man aber die Büsche mit Axt und Feuer, kommt das Grundwasser zurück", berichtet Jürgens von erfolgreichen Aktionen - für Namibia, das trockenste Land südlich des Äquators, ist das überlebenswichtig. Genauso wie eine angepasste Landwirtschaft. "Da die Menschen in Südafrika nichts dagegen tun können, dass Amerika, Europa und zunehmend auch Asien immer mehr Treibhausgase in die Luft pusten, bleibt ihnen nur, ihre Landwirtschaft so zu gestalten, dass die Folgen des Klimawandels abgemildert werden." Dazu trägt Biota Africa bei. Die Ökonomen entwickeln aus den Daten, die vor Ort erhoben, von Satelliten und Klimaforschern geliefert werden, Prognose-Modelle für die künftige Landnutzung. "Diese Erkenntnis wollen wir den Farmern an die Hand geben, damit sie heute so entscheiden können, dass sie noch in 30 Jahren von ihrem Land leben können."

Bisher, so die gute Nachricht, ist Namibia nicht von den Folgen des Klimawandels betroffen. Deshalb gäbe es noch Chancen, die Folgen durch Anpassung abzumildern.