Das Klima gerät schneller aus den Fugen, als Computermodelle vorausgesagt haben. Das legen Temperaturmessungen sowie satellitengestützte Beobachtungen von Wasser, Erde und Atmosphäre nahe. "Seit 1990 ist insbesondere der Meeresspiegel stärker gestiegen als angenommen", so eine internationale Forschergruppe um Prof. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in der heutigen Ausgabe der US-Wissenschaftszeitschrift "Science". Der Ozeanexperte ist auch einer der Autoren des neuen Berichtes des UN-Klimarates, den das Intergovermental Panel on Climate Change (IPCC) nach sechsjähriger Arbeit heute in Paris vorstellen wird.

Während der Anstieg der Konzentration von Kohlendioxid ziemlich genau den Voraussagen des IPCC entspricht, die Entwicklung der globalen Oberflächentemperatur sich immerhin noch im oberen Bereich der Prognosen bewegt, übersteigen die Veränderungen des Meeresspiegels die bisherigen Erwartungen der Klimaforscher deutlich. Messdaten zeigen, dass dieser seit 1993 um 3,3 Millimeter pro Jahr angestiegen ist. Der IPCC-Report von 2001 ging aber nur von einem Anstieg von zwei Millimeter pro Jahr aus. Zudem kletterte der Meeresspiegel in den vergangenen 20 Jahren viel schneller als in den vorangegangenen 115 Jahren - um 25 Prozent errechneten die Autoren des "Science"-Artikels. Auch das hatte niemand erwartet. Gleichwohl sei es verfrüht anzunehmen, dass sich diese Entwicklung ungebrochen fortsetzen werde, schreiben die Klimaforscher.

Was die nun beobachteten Entwicklungen verursacht, sei schwierig zu ermitteln, räumen die Wissenschaftler ein. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Klimamodelle fehlerhaft seien und den Einfluss des vom Menschen freigesetzten Treibhausgases Kohlendioxid unterschätzten. Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte Rahmstorf - ebenfalls in "Science" - gewarnt, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 zwischen 0,5 und 1,4 Meter höher liegen könnte als 1990. Schon damals machte er darauf aufmerksam, dass die Computermodelle des Klimas den heute bereits eingetretenen Anstieg des Meeresspiegels unterschätzen. Es seien schließlich physikalisch-mathematische Modelle, erläutert der Ozeanexperte nun in "Science", "die über viele Jahre und unabhängig von den seit 1990 gemessenen Klimadaten entwickelt worden sind. Außerdem konnte die Entwicklung des Meeresspiegels nicht berücksichtigt werden, weil es damals noch gar keine Messdaten dazu gab." Bleibt die Frage, ob der heute erscheinende IPCC-Bericht bessere Modelle hat. In ihm, so Mitautor Prof. Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Uni Kiel (IfM-GEOMAR), würden die Prognosen nicht mehr so extrem ausfallen, die Schwankungsbreite in den Voraussagen sei geringer. "Die Aussagen des Kollegen Rahmstorf sind mit großen Unsicherheiten behaftet", sagt der Klimaexperte, "denn die analysierte Periode ist mit 16 Jahren ziemlich kurz." Das räumen auch die Autoren ein.

Allerdings könnte alles ganz anders kommen, warnt Mojib Latif. "Die große Unbekannte ist das Grönlandeis. Wenn wir Pech haben, fängt das Eis schneller an zu schmelzen, als wir vermuten." Er verweist auf die letzte große Warmzeit, die Eem-Warmzeit vor 125 000 Jahren. Damals lag die Temperatur global nur um maximal einen Grad Celsius über der heutigen. Doch der Meeresspiegel war mindestens drei bis vier Meter höher als heute, weil Grönland viel von seinem Eis verloren hatte. So gab es beispielsweise zwischen Ostsee und Weißem Meer eine Meeresstraße.

Und selbst, wenn sich das Klimageschehen nach den neuen Prognosen der IPCC-Wissenschaftler richten sollte, Anlass zur Sorge gibt der Klimawandel in jedem Fall. Darin sind sich die beiden Autoren des neuen IPCC-Berichtes einig.

Informationen im Internet:

www.pik-potsdam.de/

www.ifm-geomar.de