Vogelkunde: Ein Kongress macht sich Sorgen

Hamburg. Ach, Spatzi, wer soll dich nur verstehen? Schon dein Gezwitscher klingt so merkwürdig. In Lehrbüchern steht zwar, das "Tschilp, Tschilp" sei dein "Gesang". Aber mal ehrlich, wenn man genau hinhört (im Internet unter http://www.nabu.de/m01/m01_11/03655.html), klingt das eher nach "schitt, schitt" und schliddert hart an der Grenze zum tonarmen Gekrächze entlang.

Immerhin hast du es geschafft, nicht mehr der erklärte Feind aller Gartenbesitzer zu sein, wie noch vor gut hundert Jahren. Da gab es Schriftenreihen voller Ausrottungsfantasien, vom "mit Säcken schockweise todt schlagen" bis zum Vergiften und "allenthalben alle Nester zerstören". Heute giltst du nur noch als frech, weil du dort, wo du noch massenweise auftrittst, schon mal Krümel vom Kuchenteller klaust.

Die Wissenschaftler haben dich lange übersehen, vielleicht weil du in deinem Mausgrau, dem braunen Scheitel und schwarzen Latz so unscheinbar wirkst. Und deine ausgedehnten Badegänge in Sandkuhlen halten Menschen sowieso für unhygienisch. Dabei bist du überhaupt kein Dreckspatz. Deine Kinderstube mit bis zu sechs Jungen hältst du penibel sauber. Und das bei zwei bis drei Gelegen im Jahr. Faul bist du jedenfalls nicht. 500 Insekten am Tag schleppst du für jedes Junge an - Frischfleisch, obwohl du dich, einmal ausgewachsen, nur vegetarisch von Körnern ernährst.

Immerhin haben dich die 1500 Vogelforscher, die am Wochenende in Hamburg zum Ornithologen-Kongress kommen, zu ihrem Markenzeichen gewählt. Denn obwohl du bundesweit noch die Nummer eins unter den Vögeln bist, landest du in Hamburg nur auf Rang fünf, hinter Amsel, Kohl- und Blaumeise und Elster. In den Städten geht dir das Futter aus. Pferdeäpfel, in denen du früher herumgepickt hast, gibt's nicht mehr. Und Nistplätze an gläsernen, glatten Fassaden sind rar. Hoffentlich bleibt dir das Schicksal erspart, nur als Kosename zu überleben. Mach's gut, Spatzi!