Wollte der Mensch wie ein Murmeltier überwintern, müsste er ein halbes Jahr lang von den Fettreserven an der Hüfte zehren - und sich eng an Artgenossen kuscheln.

Eine Geschichte darüber, wie Tiere der Kälte trotzen, beginnt üblicherweise nicht auf einer tropischen Insel. Und doch führt sie mit Fug und Recht nach Madagaskar - in den Lebensraum des Westlichen Fettschwanz-Makis (Cheirogaleus medius), eines im Westen der Insel heimischen Halbaffen. Der etwa 20 Zentimeter lange und 200 Gramm schwere Säuger verbringt sieben Monate des Jahres im Winterschlaf, obwohl es in den Tropen keinen Winter, sondern nur eine etwas kühlere Trockenzeit gibt.

In Madagaskar werden dann Futter und Wasser knapp, und der nachtaktive Lemur verzieht sich in seine Baumhöhle, nachdem er sich ein Fettpolster angefressen hat. Der Schläfer passt seine Körpertemperatur an die stark schwankende Außentemperatur an und wacht selbst dann nicht auf, wenn es vor seiner Höhle über 35 Grad Celsius warm wird. Entdeckt hat diesen überraschenden Sachverhalt die Zoologin Kathrin Hausmann, inzwischen Juniorprofessorin in der Abteilung Ökologie und Naturschutz der Universität Hamburg.

Verbreiteter ist der Winterschlaf allerdings dort, wo es wirklich Winter gibt. Wollte ein Mensch buchstäblich "wie ein Murmeltier" schlafen, müsste er sich als vorsorglich angeschwollener Fettwanst ein halbes Jahr ins Bett packen, um von seinen Rettungsringen an der Hüfte sechs Monate zehren zu können. Auf dem Bett läge er nicht allein, sondern eng zusammengekuschelt mit anderen Schlafmützen. Nur ab und an würde die schnarchende Horde für einen kurzen Gang zur Toilette aufwachen. Dann würde der Winterschlummer fortgesetzt, die Köpfe zum Energiesparen akrobatisch zwischen die Hinterbeine gesteckt.

Die Körpertemperatur sänke auf weniger als fünf Grad. Atmen würde der Murmelmensch nur etwa alle 30 Sekunden, und sein Herz schlüge pro Minute nur noch etwa siebenmal (ein Zehntel des Üblichen, beim Murmeltier sind es statt 200 lediglich 20 Schläge). Der Körper liefe auf Sparflamme, der Energieverbrauch sänke auf ein Zehntel.

Doch wie der Wiener Biologe Thomas Ruf herausgefunden hat, spart das Murmeltier noch auf andere Weise Energie. Leber und Nieren schrumpfen um ein knappes Drittel, sein Magen-Darm-Trakt um die Hälfte. Aus seinem Schlaf erwacht das Tier durch den Einfluss der Außentemperatur.

Auch andere Tiere haben sich mit Tricks und Kniffen an raues Klima anpassen müssen. Das Alpenschneehuhn legt sich nicht nur ein dichteres und besser isolierendes Winter-Federkleid zu, das sogar die Krallen bedeckt. Bei grimmiger Kälte und zum Schlafen buddelt der Vogel tiefe Löcher in den schützenden Schnee. Schon 20 Zentimeter mächtiger Neuschnee oder 60 Zentimeter dicker Altschnee können den Einfluss der Außentemperatur ausschalten, selbst bei minus 60 Grad. "Die Temperatur am Boden beträgt dann wegen der Wärme aus dem Boden um die null Grad, egal wie kalt die Luft oder die Schneeoberfläche ist", sagt Birgit Ottmer vom Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos.

Viele Nagetiere, Insektenfresser oder Fledermäuse fallen in Winterschlaf. Igel verfügen über einen eingebauten Schutz vor dem Kältetod: Sinkt ihre Körpertemperatur unter etwa vier Grad, fährt ihr Stoffwechsel wieder leicht hoch. Auch bei Fledermäusen läuft im Winter wenig. Ihr Herzschlag fällt von 600 auf nur zehn Schläge pro Minute. Die Körpertemperatur sinkt bei manchen Arten auf unter null Grad.

Trotz des stark gedrosselten Stoffwechsels registrieren die Flattertiere alles, was um sie herum passiert. Sie schlafen nicht, sondern sind eher lethargisch - ein Leben im Stand-by-Modus. Doch werden die Tiere im Quartier gestört, kann sie das töten. Denn zum Aufrappeln benötigen sie viel Energie, die ihnen am Ende des Winterschlafs womöglich fehlt. Selbst ohne Störung kommt es vor, dass der Fettvorrat nicht reicht - dann stirbt die Fledermaus langsam.

Keinen Winterschlaf halten Bären und andere große, gleichwarme Tiere wie Dachs oder Waschbär - sie halten Winterruhe, weil es lebensgefährlich für sie wäre, ihre Körpertemperatur so stark abzusenken wie Murmeltiere oder Fledermäuse. Beim Herunterfahren der Körperfunktionen würden sie zu viel Energie verlieren.

Die Pinguine der Antarktis bekommen zwar kalte Füße, doch stört sie das wenig. Die Temperatur ihrer Füße und Flügel halten sie auf knapp über null Grad, indem sie abgekühltes und sauerstoffarmes Venen-Blut hineinpumpen. Außerdem trippeln sie ständig auf der Stelle und halten ihre Füße so in Bewegung. Die Tiere einer Brutkolonie drängen sich dicht aneinander, wobei die äußeren nach einer Weile zum Aufwärmen nach innen durchgelassen werden.

Zeitweilig oder ganz im Wasser lebende Säugetiere wie Robben oder Wale müssen sich wegen dessen hoher Wärmeleitfähigkeit mit einer mächtigen Schicht an Unterhaut-Fettgewebe schützen. Sonst könnte ihre Körpertemperatur nicht 36 bis 38 Grad betragen. Die Fettschicht isoliert so gut, dass die Robbenhaut ähnlich kalt wie das Wasser ist. Eisbären sind durch Fett und Fell so gut gegen Kälte geschützt, dass sie ihren Energie-Umsatz erst unterhalb von minus 44 Grad erhöhen müssen. Bis dahin frieren sie nicht.

Geraten Robben in warme Gewässer, öffnen sich Sperren in ihren Adern, sodass der Isolator umgangen und die äußere Haut durchblutet wird. Vor allem auf dem Rücken verfügen sie über eine Partie, die gut zu durchbluten ist. Wale können überschüssige Wärme nach dem Prinzip des Wärmetauschers über die schlecht isolierten Flossen abgeben.

Damit Fischen in den Polarregionen das Blut bei Wassertemperaturen unterhalb von minus 0,9 Grad nicht in den Adern gefriert, enthält es eine Art Frostschutzmittel.

Die Aalmutter-Fische der Antarktis bilden Proteine, die so fest an die ersten Eiskristalle im Blut andocken, dass diese nicht mehr größer werden können. Entsorgt werden die Kristalle vermutlich durch Aufschmelzen in der etwas wärmeren Milz.