“Grüne“ Kleidungsstücke finden immer mehr Käufer. Doch in der boomenden Branche ist mit Blendern zu rechnen, so warnt eine Hamburger Fachbuch-Autorin.

Klamotten, deren Ausgangsmaterial unter Pestizidduschen wuchs, sind out. Ware, von Kindern zusammengenäht und voller bedenklicher Farben, die vielleicht sogar unter die Haut gehen, lehnen immer mehr Käufer ab. Folge: Öko-Textilien erobern Ladenregale und Kleiderschränke, und das auf allen Ebenen, vom Designerstück bis zur Bio-Socke beim Discounter. Der Trend lässt sich auf der "BioFach" ersehen, die morgen bis Sonntag in Nürnberg läuft. Auf der weltgrößten Messe für Ökolandbau-Produkte zeigen 40 Aussteller auch grüne Mode.

"In der boomenden Branche ist mit Mauscheleien zu rechnen", warnt Kirsten Brodde. Die Hamburger Fachjournalistin und Vorkämpferin für ethisch korrekte Kleidung beschreibt in ihrem Buch "Saubere Sachen", wo die ökologischen Vorreiter sind und wie man sich vor Etikettenschwindel schützt. Zwar boomt es auf noch niedrigem Niveau (Öko-Textilien haben 1,4 Prozent Marktanteil), dennoch machen viele Label und Eigenmarken das Angebot unübersichtlich.

Manch fragwürdiges Produkt schwimmt auf der Öko-Welle mit. Da wird ein erdfarbenes Oberteil als "grün" verkauft. Und Zweifel sind erlaubt, ob eine Jeans aus Biobaumwolle, die mit viel Chemie auf alt getrimmt wurde, wirklich "öko" ist.

Ein glaubwürdiges und bekanntes Bio-Kennzeichen gibt es bei Textilien nicht. Kirsten Brodde schlägt ein weißes T-Shirt auf grünem Grund vor, angelehnt an das internationale Gütezeichen GOTS (Global Organic Textile Standard). Dieses gilt als das beste und umfassendste Label für Öko-Kleidung. Etwa 1000 Betriebe richten sich nach den strengen GOTS-Vorgaben. Doch viele Bio-Kleidungsstücke tragen das Signet (noch) nicht. Manchmal ist der Öko-Anteil am Kleidungsstück verschwindend gering - "generell sollten Verbraucher bei Textilien, die sich bio, öko oder organic nennen, auf die Angabe 'x Prozent aus kontrolliert biologischem Anbau' (kbA) achten", rät die Verbraucher Initiative.

Neben den etwa 20 klassischen Naturtextilherstellern, organisiert im Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft ( www.naturtextil.com ), arbeitet der Branchenprimus Hess Natur nach dem GOTS-Standard. Er erhielt im Dezember den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für vorbildliche Einkaufspolitik.

Aber auch große Modeketten wie H & M, C & A und Levi's lassen einen Teil ihrer Öko-Kollektionen nach GOTS-Regeln fertigen.

Unter den Großen hat C & A sein Sortiment am stärksten begrünt - 2008 sollten gut 7000 Tonnen Bio-Baumwolle zu 12,5 Millionen Kleidungsstücken verarbeitet werden. Aber selbst bei Discountern wie Plus oder Penny und bei Drogerie-Ketten tauchen Bio-Textilien auf, meist Unterwäsche und Socken. "Inzwischen kauft man Öko-Textilien fast aus Versehen", sagt Kirsten Brodde erfreut. Neben gestiegener Nachfrage habe das neue EU-Chemikalienrecht den Trend zur Umweltverträglichkeit verstärkt. Brodde: "Wer hätte gedacht, dass die Textilindustrie sich mal für das vormals belächelte Färben mit Pflanzen interessieren würde?" Das neue Recht zwinge Hersteller, "über sauberere Alternativen nachzudenken".

Dies haben die Lieferanten von HessNatur längst hinter sich. Das 1976 gegründete Versandhaus für Öko-Textilien im hessischen Butzbach, das in Hamburg eine Filiale hat, folgt einem anderen Trend: Öko-Mode löst sich vom Sackkleid, von Wollsocken und Korklatschen. HessNatur engagierte den avantgardistischen spanischen Modeschöpfer Miguel Adrover als Kreativdirektor, der Akzente setzt. Andere Modedesigner vertreiben ihre Öko-Kollektionen selbst, etwa die Ingolstädterin Inga Koffke, die Macher des dänischen Luxuslabels Noir und die niederländische Marke Kuyichi für Alltagskleidung.

Modegigant H&M zögerte zunächst, kam in diesem Winter aber mit Tulpenröcken und Reiterhosen aus recycelter Wolle auf den Markt, ergänzt durch Jacken, die dem Kunststoff Polyester ein zweites Leben verleihen. Die neue Mode, ausgediente PET-Flaschen einzuschmelzen, den Kunststoff durch haarfeine Düsen zu pressen und daraus Garne für Öko-Klamotten herzustellen, treibt erste Blüten. So starteten Coca Cola und Walmarkt in den USA die Werbeaktion "Drink2Wear": Wer zwei PET-Buddeln der Marken-Cola kauft, erhält ein Recycling-T-Shirt gratis. In der Branche geht das Gerücht um, dass die Nachfrage nach Textilien aus PET-Flaschen so groß ist, dass schon brandneue Flaschen eingeschmolzen wurden...

Der PET-Ansatz ist aber nur die drittbeste Lösung gemäß der klassischen Umweltregel Reduce, Reuse, Recycle" für den Umgang mit Abfällen (Wertstoffen): Am besten (Konsum) reduzieren, ansonsten Produkte ein zweites Mal nutzen, und wenn das nicht geht, sinnvoll verwerten. So ist der Kauf von Secondhand-Ware, das Tauschen, Leihen und Schenken von Kleidern ökologisch nicht zu toppen.

"Es gibt verschiedene Wege, um die Lust am Neuen zu befriedigen", schreibt Brodde, "niemand sagt ,Kauft nichts mehr', um die Umwelt zu schonen." Und wem Sachen aus zweiter Hand nicht zusagen, der kann auf Grüne Mode setzen.


Saubere Sachen, Kirsten Brodde, 256 S., 16,95 Euro, ISBN 978-3-453-28003-8 Internet: www.kirstenbrodde.de