Das deutsche Stammzellgesetz bestätigt das Embryonenschutzgesetz und erlaubt den Import von humanen embryonalen Stammzellen (hESC) unter bestimmten Bedingungen. Nun soll es geändert werden: Der Stichtag für importfähige humane embryonale Stammzellen soll entweder gestrichen oder auf ein späteres Datum verlegt werden. Doch sind die Gründe, die dafür vorgebracht werden, überzeugend?

In ihrer Stellungnahme vom November 2006 verweist die Deutsche Forschungsgemeinschaft darauf, dass die importfähigen Stammzellen mit Viren verunreinigt und von daher für therapeutische Zwecke ungeeignet seien. Untersuchungen, an denen auch deutsche Forscher beteiligt waren, konnten diese Vermutung jedoch nicht bestätigen. Darüber hinaus kann zurzeit niemand sagen, ob und wann humane embryonale Stammzellen jemals therapeutisch als Ersatzgewebe eingesetzt werden können.

Wenn es um den möglichen therapeutischen Nutzen von Stammzellen geht, haben die adulten Stammzellen, die aus dem Körper erwachsener Menschen isoliert werden können, zurzeit ohnehin die Nase vorn: Stammzellen aus Haarwurzeln bilden schon jetzt Haut für Verbrennungswunden und solche aus abgesaugtem Fettgewebe Knochen für Unfallopfer. Diese Liste ließe sich lange fortschreiben.

Ein zweites Argument derjenigen, die den Stichtag verschieben wollen, lautet: Die neueren humanen embryonalen Stammzellen werden als Vergleich für die Grundlagenforschung benötigt. Trifft das zu? Aufgrund der weltweit kontrovers geführten Debatte um den Verbrauch menschlicher Embryonen für die Erzeugung von humanen embryonalen Stammzellen suchen international viele Wissenschaftler nach Alternativen zur Herstellung solcher Zellen. Und man ist fündig geworden: Ganz normale Hautzellen konnten durch die Einführung einiger Gene in Stammzellen verwandelt werden, die humanen embryonalen Stammzellen ähneln. Natürlich handelt es sich - wie bei den humanen embryonalen Stammzellen generell - um Grundlagenforschung. Um die Eigenschaften dieser Zellen zu charakterisieren, griff die erfolgreiche japanische Arbeitsgruppe interessanter Weise jedoch nicht auf neuere humane embryonale Stammzellen, sondern auf etablierte Stammzellen zurück, die weltweit nach wie vor als Vergleichsmaßstab gelten. Forschungen, die auch in Deutschland hätten durchgeführt werden können. Ethische Kontroversen und Restriktionen können eine produktive Herausforderung für die Entwicklung alternativer Zugänge zur Stammzellforschung sein und kreative Forschungsansätze stimulieren. Anstatt diese Herausforderung anzunehmen, verbringen deutsche Stammzellforscher viel Zeit damit, um Stichtagsverschiebungen zu rangeln, die absehbar von kurzer Dauer sind und in einigen Jahren wieder zur Revision anstehen werden.

Wäre es dann nicht konsequenter zu fordern, die in Deutschland nicht mehr für Fortpflanzungszwecke benötigten befruchteten Eizellen nutzen zu können, anstatt immer wieder humane embryonale Stammzellen aus dem Ausland zu importieren? Angesichts der rasanten Fortschritte bei der Herstellung aussichtsreicher Stammzellen, die nicht auf der Zerstörung menschlicher Embryonen basieren, scheint allerdings auch diese Forderung schon wieder überholt.