Frühe Historiker zeichneten aber auch ein anderes Bild: das eines klugen Strategen und eines Helden, den erst der Hass einer geliebten Frau zum Monster machte.

Hamburg. Das Paradebett war ganz von Gold und Edelstein besetzt, die Decke von bunt besticktem Purpur, und der Leichnam, der auf ihr lag, gleichfalls mit einem Purpurgewand umhüllt", schildert der Historiker Flavius Josephus die letzte Reise des Herodes im Jahr 4 v. Chr. "Auf seinem Kopf ruhte das Königsdiadem und darüber eine goldene Krone, und die rechte Hand hielt das Zepter." Söhne und Verwandte, germanische Leibwächter und dann das gesamte Heer erweisen dem Toten die Ehre, 500 Sklaven und Freigelassene tragen köstliche Spezereien: "So zog man mit dem Leichnam nach Herodeion, wo er dem Befehl des Verstorbenen gemäß beigesetzt wurde."

Jetzt gibt der Hügel 15 Kilometer südlich von Jerusalem nicht den Leichnam, aber den Sarkophag des Herrschers frei: 35 Jahre nach den ersten Grabungen konnte der israelische Archäologe Ehud Netzer gestern die ersehnte Entdeckung melden. Mit dem Ort weisen vor allem die Verzierungen an den Kalksteinresten so deutlich auf den berühmten Toten hin, dass der Forscher nicht zweifelt.

Wie die Funeralien von einst festigt nun auch der Archäologenfund das Andenken eines der berüchtigtsten Übeltäter aller Zeiten: Herodes der Große, König von Judäa, ist Schauerbild des orientalischen Despoten, Gewaltmensch von shakespearescher Grausamkeit, Verwandtenmörder wie aus fürchterlichsten griechischen Tragödien und als Kindermörder von Bethlehem das größte Scheusal der Bibel. Er ist aber auch kluger Stratege, tapferer Verteidiger seines Volkes, tatkräftiger Politiker, treuer Diener und liebevoller Bruder.

Vor allem ist Herodes eine der wenigen Gestalten des Neuen Testaments, in denen biblische Überlieferung und geschriebene Geschichte zusammenfinden: Die Evangelisten Lukas und Matthäus kennen ihn ebenso wie die Historiker Appian, Cassius Dio, Plutarch, Strabo, Plinius, Tacitus und Sueton. Die christliche und die jüdische Legende beschränken sich auf seine Verbrechen, jüdische und heidnische Historiker aber urteilen differenzierter: Für sie ist Herodes ein Held, den erst der Hass einer geliebten Frau zum Monster macht.

Die ersten Jahre bringen Herodes Kriege und Siege mit den Großen seiner Zeit: Sein Vater, der Idumäerfürst Antipater, steht 47 v. Chr. dem aus Alexandria geflüchteten Cäsar mit Truppen aus seiner Heimat bei. Der dankbare Römer macht ihn zum römischen Bürger, gewährt ihm Steuerfreiheit und ernennt ihn zum Prokurator der Provinz Judäa. Antipater ist mit Kypros, Tochter eines Araberscheichs, verheiratet, die ihm vier Söhne schenkt: Phasaelos, Herodes, Joseph und Pheroras. Als Prokurator macht Antipater die älteren zu Kommandanten, den ersten in Jerusalem, den zweiten in Galiläa.

Herodes ist damals 26 Jahre alt, mit der Adeligen Doris aus Jerusalem verehelicht und Vater eines Sohnes, der ebenfalls Antipater heißt. Die Provinz Judäa ist Schauplatz blutiger Bürgerkriege, in die sich ausländische Mächte einmischen. "Herodes, ein entschlossener Charakter, fand in seinem Wirkungskreis bald Gelegenheit, seine Tatkraft zu beweisen", schreibt Flavius Josephus. Der junge Offizier rottet eine Räuberbande aus, wird von dem Cäsarmörder Cassius zum Statthalter von Syrien und von dessen Bezwinger Mark Anton zum König Judäas ernannt. Um sich als Herrscher zu legitimieren, verstößt er Frau und Sohn und verlobt sich mit der Prinzessin Mariamme aus der Dynastie der Hasmonäer. Bei einem Angriff der Parther aus dem heutigen Iran versucht er vergeblich, den älteren Bruder zu retten, flieht mit Familie und Braut aus Jerusalem, wird von jüdischen Verbündeten der Feinde angegriffen und richtet unter den Verfolgern ein Blutbad an. Flavius Josephus: "Später gründete er an dieser Stelle zur Erinnerung an den Sieg eine Ortschaft, die er mit prächtigen Palästen schmückte, durch eine starke Burg befestigte und nach seinem eigenen Namen Herodion nannte" - es ist die Stätte, an der er später begraben werden will.

Bald danach beginnt ein Leben an der Macht im Schatten noch Mächtigerer. Als ihn sein Gönner Mark Anton zwingt, Kleopatra die Filetstücke seines kleinen Königreichs zu überlassen, beweist der Gedemütigte Gehorsam, Geduld und diplomatische Gewandtheit. Als Mark Anton sein Reich an Octavian verloren hat, kehrt Herodes mit seinen verspäteten Hilfstruppen nicht um, sondern stellt sich dem Sieger und erklärt: "Ich bin von Antonius zum König der Judäer gemacht worden und habe alles getan, wodurch ich ihm nutzen konnte. Ich verhehle nicht, dass du mich auch im Kampf an seiner Seite gefunden hättest, wenn die Araber mich nicht daran gehindert hätten. So bin ich mit Antonius besiegt und lege, auch im Unglück sein Gefährte, die Krone nieder. Zu dir kam ich in der Hoffnung, mein rechtschaffenes Benehmen werde mir deine Gunst erringen, und man werde untersuchen, was für ein Freund und nicht wessen Freund ich war."

Die Offenheit wirkt, Octavian setzt Herodes das Diadem wieder auf und macht den König zu einem besonders zuverlässigen Diener seines Imperiums: Wo Herodes herrscht, ist Ruhe. Zugleich baut der Idumäer, den viele Juden zeitlebens als Ausländer verachten, das geschundene Land wieder auf: Cäsarea bekommt einen Hafen "größer als Piräus", Byblos eine Stadtmauer, der Berg Massada eine Festung, Damaskus ein Gymnasium, Laodikea eine Wasserleitung, Askalon eine Säulenhalle, Sidon ein Theater. In Jerusalem aber entsteht durch prachtvollen Ausbau praktisch ein neuer Tempel als zentrales Heiligtum der Juden in aller Welt.

Die Heirat mit Mariamme soll Frieden zwischen alten und neuen Machthabern stiften, doch sie bringt Unfrieden in die Familie, und bald wird Herodes zum verhassten Tyrannen. Erst lässt er Mariammes Großvater und Bruder ermorden, die ältere Thronrechte haben. Dann ermordet er auch seine innig geliebte Frau und die beiden gemeinsamen Söhne und nimmt seine verstoßene Ex-Frau Doris wieder auf. Später lässt er auch deren Sohn, seinen ältesten, umbringen. Diese Grausamkeiten mögen zu der Geschichte vom Kindermord in Bethlehem beigetragen haben, für die historische Belege fehlen.

Der Talmud bewahrt eine Legende, die Herodes als rasenden Verliebten zeigt: Je mehr Mariamme ihn als Mörder ihrer Verwandten hasste, desto heftiger habe er sie begehrt, ja, er habe nach ihrem Ende sogar noch den in Honig balsamierten Leichnam umarmt. Tatsächlich scheint Herodes eine Krankheit in den Wahnsinn getrieben zu haben: "Auf der ganzen Körperoberfläche empfand er unerträgliches Jucken und in den Eingeweiden beständige Schmerzen", schildert Flavius Josephus. Seiner Schwester Salome befahl der Despot, nach seinem Ableben 70 bereits zu diesem Zweck verhaftete jüdische Würdenträger hinzurichten, damit das Volk nicht jubele, sondern weine. Doch Salome ließ alle frei.

Die letzte Schurkerei des Wahnsinnigen blieb nur ein Wunsch, der Hass des Volkes aber verfolgte den Herrscher noch im Grab: Dass der Sarkophag zerschmettert gefunden wurde, führt Entdecker Netzer darauf zurück, dass zornige Juden ihn mit Hämmern zerschlugen: Während des Aufstands gegen die Römer 66-72 n. Chr. hatten sie auf diese Weise ihrer Wut auf den einstigen römischen Marionettenherrscher Luft verschafft. Die Gebeine wurden wohl damals in alle Winde verstreut.