Ist die Schokolade der neue Rotwein? Die Kakaobohne enthält Flavonoide. Sie erhöhen, extrem konzentriert, die Durchblutung des Gehirns. Damit verbessert sich die Reaktionsschnelligkeit.

Kakao hat Heilkraft. Die Kakaopflanze - ihre Bohnen, ihre Zweige, ihr Öl, ihre Blüten - genossen schon die Urvölker Latein- und Mittelamerikas, der Karibik, Afrikas oder Südostasiens. Und sie nutzten sie, um Krankheiten zu lindern. Mehr als 100 medizinische Anwendungen sind allein von den Azteken überliefert. Auch in alten Medizinbüchern wie dem "Badianus Codex" (1552) oder dem "Florentine Codex" (1590) finden sich Rezepte, wie mit der Kraft der Kakaopflanzen Müdigkeit und Fieber vertrieben sowie Herzbeschwerden geheilt werden können. Seit mindestens 3600 Jahren genießen die Menschen Schokolade, diesen "göttlichen Trunk, der die Widerstandskräfte stärkt und die Müdigkeit vertreibt", wie Aztekenherrscher Montezuma notierte. Die Forschungsergebnisse, die Wissenschaftler auf der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in San Francisco präsentierten, erhellen das Geheimnis der Heilkraft. Und sie eröffnen vielleicht auch den Weg zu neuen Behandlungsmethoden.

Die Kakaobohne enthält eine Vielzahl von Substanzen, eine interessiert die Forscher besonders: Flavonoide. Ihre Bekanntheit verdanken sie dem Rotwein, in dem sie in größeren Mengen vorkommen. Das machte aus dem Wein schon fast einen Gesundheitsdrink. Wird der Kakao zum neuen Rotwein?

Offenbar sorgen Flavonoide in hoch konzentrierter Form dafür, dass das Gehirn in Schwung kommt. Das zeigt eine Studie, die Prof. Ian Macdonald (University of Nottingham, UK) mit Unterstützung des Unternehmens Mars Ltd. durchführte. Er gab 18 jungen Frauen einen Schokoladentrunk, der entweder normal oder extrem viel Flavonoide enthielt. Dann mussten sie schwierige Entscheidungssituationen bewältigen. Was dabei in ihrem Gehirn geschah, verfolgen die Wissenschaftler mithilfe der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomografie. "Es sieht so aus, als wenn die Flavonoide die Durchblutung des Gehirns erhöhen und so die Reaktionsschnelligkeit verbessern", resümierte Macdonald.

Diese Wirkung könnte für ältere Menschen interessant sein, befand Prof. Norman K. Hollenberg (Havard Medical School and Birgham and Boston, USA). Er verabreichte 47 Freiwilligen, die älter als 50 Jahre alt waren, 14 Tage lang einen Schoko-Power-Trunk der hoch konzentriert Flavonoide enthielt. "Wir beobachteten nicht nur eine verbesserte Durchblutung des Gehirns, zu unserer Überraschung nahm die Wirkung im Verlauf des Versuchs sogar noch zu", beschrieb der Arzt das Ergebnis. Es sei also vielleicht möglich, auf diesem Weg die altersbedingte Abnahme der Leistungsfähigkeit des Gehirns aufzuhalten, hofft Hollenberg, wie er sagte, schon aus eigenem Interesse.

Auf die Idee zu dieser Studie kam der Mediziner, der sich sonst mit den genetischen Grundlagen von Krankheiten befasst, bei seiner Arbeit mit den Kuna-Indianern. Sie leben auf einer Insel nahe Panama und konsumieren eine Schokolade, die von Natur aus viel Flavonoide enthält. "Sie essen und trinken davon enorme Mengen", sagte Hollenberg. Das könnte erklären, warum die Insel-Indianer im Vergleich zu anderen Mitgliedern ihres Stammes extrem selten an Bluthochdruck und anderen Herzkreislauferkrankungen leiden. "Denn genetisch konnten wir keinen Unterschied zwischen den Kuna-Indianern finden, die auf der Insel leben, und denen, die auf dem Festland sind", so Hollenberg. Offenbar bewirken die Flavonoide in beiden Fällen eine stärkere Durchblutung des Gewebes. "Wenn das so gut vertragen wird, vielleicht haben wir dann einen neuen Weg, um zu helfen", folgerte der Mediziner, der seine Ergebnisse noch in diesem Monat im "International Journal of Medical Science" veröffentlichen wird.

Unterstützung kommt aus den Niederlanden per Internet: "Wer viel Kakao trinkt, hat einen niedrigeren Blutdruck und lebt länger", so Prof. Brian Buijsse (Bilthoven). 1985 begannen der Wissenschaftler des Niederländischen Gesundheitsinstituts und sein Team mit der Studie, an der 470 Männer, die zwischen 65 und 84 Jahre alt waren, teilnahmen. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt, und jede musste eine bestimmte Menge an Kakao trinken. Das Resultat: Offenbar hilft Kakao der Gesundheit von Herz und Hirn auf die Sprünge.

Mäuse jedenfalls werden wirklich schlauer. Bei ihnen helfen die Turbodrinks das Erinnerungsvermögen und die Lernfähigkeit eindrucksvoll zu steigern, wie Prof. Henriette van Praag (Salk Institut, La Jolla, USA) auf der AAAS zeigte. Wenn der Mensch doch bloß eine Maus wäre . . .