Heute vor 40 Jahren betraten Menschen erstmals den Mond. Als Nächstes wollen Forscher zum Mars. Der deutschstämmige Nasa-Manager Puttkamer sieht darin eine Möglichkeit, Probleme auf der Erde zu lösen.

Heute ist Jesco von Puttkamer, Zeitzeuge der Apollo-Mission, im Planetarium Hamburg (s. Textende). Das Abendblatt sprach mit dem Raumfahrtwissenschaftler deutscher Herkunft, der den Betrieb auf der Internationalen Raumstation (ISS) koordiniert und seit 2004 am Mond-Mars-Programm der Nasa arbeitet.

Hamburger Abendblatt:

Wo waren Sie, als Neil Armstrong seinen legendären Satz sprach: "Für einen Menschen ist es ein kleiner Schritt, für die Menschheit ein Riesensprung"?

Jesco von Puttkamer:

Ich war im Kontrollsaal in Huntsville, Alabama: Das Marshall Space Flight Centre war ein Pendant des Hauptkontrollzentrums von Houston. Wir Ingenieure in Huntsville, die wir die Saturn-V-Rakete gebaut hatten, hatten unsere Arbeit getan. Aber wir standen bereit, um unseren Kollegen in Houston beizustehen, falls ein Notfall eintreten sollte. Den Ausstieg von Armstrong, den wir auf riesigen Monitoren auf den Wänden verfolgten, habe ich auch mit großem Staunen verfolgt.

Abendblatt:

Sie waren als Ingenieur im Team von Wernher von Braun an der Apollo-Mission beteiligt und beschreiben Ihre Erfahrungen in Ihrem neuen Buch "Abenteuer Apollo 11". Wie haben Sie die Reise zum Mond erlebt?

Jesco von Puttkamer:

Man muss sich diese lange Anlaufzeit vorstellen: Acht Jahre haben wir daran gearbeitet. Das war eine einzige Achterbahnfahrt, wir erlebten Höhen und Tiefen. Die Rakete, die wir am 16. Juli gestartet haben, war unsere sechste Rakete und die dritte, die Menschen ins All brachte. Die Spannung stieg von Mission zu Mission - und auch die Sorge, dass einmal etwas passiert.

Abendblatt:

Das Drama kam mit Apollo 13, die um Haaresbreite einer Katastrophe entging. Mit Apollo 17 endeten 1972 die Besuche des Menschen auf dem Mond. Reicht die Internationale Raumstation (ISS) als Plattform für Ausflüge ins All?

Jesco von Puttkamer:

Das ist nicht eindeutig zu beantworten. Es gibt ein Interesse, wieder auf dem Mond zu landen und zu bleiben. Die Wissenschaft hat dort erst mit der Untersuchung begonnen. Und für den Weiterflug zum Mars, unserem Hauptziel, müssen wir Erfahrungen sammeln, die man auf dem Mond besser als an Bord der ISS machen kann. Aber dafür brauchen wir keine Siedlung auf dem Mond, die das ganz Jahr über bewohnt ist. Das ist logistisch und finanziell zu aufwendig. Wir brauchen nur längere Aufenthalte von Menschen auf dem Mond.

Abendblatt:

Wird das von US-Präsident George Bush 2004 initiierte Mond-Mars-Programm auch unter Präsident Barack Obama fortgesetzt?

Jesco von Puttkamer:

Das ist die große Frage. Der neue Präsident hat ein Komitee von Raumfahrtexperten einberufen, die nicht der Nasa angehören. Sie sollen bis Ende August Empfehlungen vorlegen.

Abendblatt:

Sie plädieren entschieden für eine Reise zum Mars - warum?

Jesco von Puttkamer:

Das kann man nicht so ohne Weiteres rational erklären. Es ist der Forschungstrieb in uns, der uns immer wieder neue Grenzen überwinden lässt, weil wir wachsen wollen, weil wir unseren Horizont und unser Bewusstsein erweitern wollen. Es ist einfach in uns drin, es wird eine Generation geben, die die Frage nach dem Warum gar nicht mehr stellen wird. Für uns sind drei Gründe ausschlaggebend: Erstens kann man die Suche nach außerirdischem Leben nicht mit Maschinen durchführen. Zweitens wollen wir mehr über den Mars erfahren, um mehr über die Erde zu lernen. Das Dritte ist, dass wir klären wollen, ob wir auf dem Mars eine neue Heimstatt für den Menschen schaffen können. Dann hätten wir einen Ausweg, wenn auf der Erde eine große Katastrophe eintreten sollte, beispielsweise ein Meteoriteneinschlag. Mit einer Siedlung auf dem Mars sind wir auf dem Weg, die Gattung Mensch im Weltraum unsterblich zu machen.

Abendblatt:

Wird die Mission denn ein einziges Problem auf der Erde lösen?

Jesco von Puttkamer:

Wir wollen nicht zum Mars, weil wir mit den Problemen auf der Erde nicht fertig werden. Wir wollen zum Mars, weil man unter anderem durch die Lösungen, die wir brauchen, um zum Mars zu gelangen, auch die Megaprobleme auf der Erde angehen kann. Beispielsweise die internationale Zusammenarbeit, die wir mit der ISS jetzt demonstrieren, die dann auch für Mond und Mars gilt: Wenn wir es im Weltraum können, können wir das auch auf der Erde. Die Management-Strategien, die wir gemeinsam entwickeln, die Großindustrien, die sich weltweit vernetzen werden, das ist ein völlig neuer Handwerkskasten, der für die Lösung irdischer Probleme zur Verfügung steht.

Abendblatt:

Welche Vision treibt Sie?

Jesco von Puttkamer:

Die Raumfahrt kann Frieden auf Erden bringen. Denn die Partnerschaft auf der ISS oder auf dem Weg zum Mond ist grundlegend anders als auf der Erde. Ich muss mich absolut darauf verlassen, dass mein Partner - ob er aus China kommt oder ein Moslem ist - zuverlässig ist. Dieser Teamgeist kann sich auch auf der Erde ausbreiten und zu einer Lösung der Spannungsverhältnisse hier führen. Dabei ist das friedenfördernde Potenzial der Raumfahrt umso größer, je mehr Menschen, je mehr Länder mitmachen. Denn sie erfahren diese vorurteilslose Partnerschaft, sie erweitern ihren Horizont und ihr Bewusstsein. Die Raumfahrt bringt uns auf den Weg zu einem Weltfrieden, auch wenn der weit in der Zukunft liegt.

Jesco von Puttkamer heute im Planetarium: "Abenteuer Apollo 11 - Von der Mondlandung zur Erkundung des Mars", Vortrag, Lesung, Gespräch, 19 Uhr, Hindenburgstr. 1b, 22303 Hamburg (8 Euro, ermäßigt 5 Euro)