Den Hamburger Bundeswehr-Hauptmann Oliver Knickel quälte die Langeweile. Auch die einseitige Ernährung war nur schwer zu ertragen.

Köln/Hamburg. Er hat schon wieder Farbe im Gesicht: Der Hamburger Bundeswehr-Hauptmann Oliver Knickel (29) hat bei seiner 105-tägigen simulierten Mars-Mission vor allem die Sonne und die Natur vermisst. "Ich weiß seitdem gewisse Kleinigkeiten besser zu schätzen - den blauen Himmel zu sehen oder die Vögel zwitschern zu hören", sagte Knickel gestern nach seiner Rückkehr aus Moskau in Köln. In der russischen Hauptstadt hatte er bis Mitte Juli an dem aufsehenerregenden Experiment "Mars500" teilgenommen, bei dem vor allem die körperlichen und psychologischen Effekte einer langen Isolation erforscht wurden. Er habe die Tests "heil und unbeschädigt überstanden", wenngleich der durchtrainierte "Erdastronaut" reichlich abgenommen hat.

"Eine der Hauptschwierigkeiten war die Monotonie", erzählte der Fallschirmjäger-Offizier. Trotz einer täglichen Stunde Sport auf Laufband und speziellen Fahrrads, Experimenten und Abenden mit Schach und Kartenspiel mit dem französischen und den vier russischen Kollegen sei "ein Tag wie der andere" gewesen. "Die Zeit wird einem lang." Vermisst habe er Familie und Lebensgefährtin. Ernsthaften Streit oder Handgreiflichkeiten habe es in der Simulationscrew aber nicht gegeben, was bei einem Leben auf engstem Raum eher ungewöhnlich ist und für die Friedliebe der Probanden spricht. Skepsis war angebracht: Ein ähnliches Experiment hatte vor zehn Jahren vorzeitig beendet werden müssen. Von Langeweile und Aggressionen geplagt, hatte sich die Crew heftig zerstritten. Nachdem es sogar zu Prügeleien gekommen war, zogen die Verantwortlichen die Notbremse.

Knickel kam zum Glück nicht in die Situation, sich über seine Kollegen ärgern zu müssen. Ein Kriterium, nachdem die Teilnehmer des Experiments ausgesucht worden waren, war ihre "hohe Reizschwelle". Den sechs Mann standen insgesamt ganze 550 Kubikmeter Raum zur Verfügung. Dennoch meckerten sie höchstens über das Essen. Ein Highlight sei gelegentlich "Frisches von der Erde" gewesen, nämlich Radieschen und Tomaten aus einem Bord-Gewächshaus. Sonst kam das Essen aus dem Beutel - nach "strengem Ernährungsplan". "Wenn das Essen minutiös geplant ist und man weder etwas liegen lassen noch zu viel essen darf, ist das schwer. Eine gleich große Portion kommt einem am einen Tag vor wie Völlerei, am nächsten wie Fasten", sagte Knickel der Zeitschrift "Focus". Knickel, der in Eschweiler bei Aachen stationiert und in Hamburg-Eidelstedt zu Hause ist, sieht mit Blick auf eine Mars-Erkundung "unglaubliche Möglichkeiten für die Menschheit". Eine Besiedlung von Mars oder anderen Planeten könne eine sehr langfristige Perspektive sein. Eine echte Mission zum Roten Planeten wird von der internationalen Raumfahrt in 30 bis 40 Jahren angestrebt und würde wohl zwei Jahre dauern. Knickel schließt nicht aus, sich auch für eine vergleichbare 520-tägige Simulation ab Frühjahr 2010 zu bewerben. Im jedem Fall werde er der Nachfolger-Crew beratend zur Verfügung stehen.

Ob die nächste Simulation wieder in dem Modul, das einem Raumschiff nachempfunden wurde, stattfindet, ist noch unklar. Der "Käfig" steht im Moskauer Institut für biomedizinische Probleme. Dort waren Knickel und seine Mitstreiter am 31. März eingestiegen. Auch wenn die Ausflügler die Erde nie verlassen haben, kostete das Experiment europäische und russische Steuerzahler rund 15 Millionen Euro. Kritiker halten die Ergebnisse der Mission auf reale Marsflüge dennoch nicht für übertragbar. Die "Flugleitung" habe schließlich jederzeit Zutritt zum Modul gehabt.